Patronage (Kleiner Hausvater)

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Klient und Patron

Die Patronage ist eine Herrschaftstechnik, die neben der Solidarität eines Familien- oder Sippenverbandes prägend für die politische Gesellschaft des Lieblichen Feldes ist. Sie wird auch als klienteläre Herrschaft bezeichnet. Ihre Prinzipien sind auf der einen Seite Schutz und Förderung durch einen Mächtigen, auf der anderen Seite Gefolgschaftstreue der Schützlinge und der Geförderten. Die Patronage ist als Herrschaftstechnik auf allen Ebenen der politischen Gesellschaft anzutreffen, so in der Stadtgesellschaft wie auch an den Höfen. Formelhaft kann man sie als honore et utile bezeichnen, als Ehre in Verbindung mit Nutzen.


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Patron und Klientel

Der Patron in der Stadt ist eine attraktive Adresse für minder mächtige Familien, die durch seinen Zuspruch wirtschaftliche Aufträge, Anstellungen und Ehrenstellen zu erhalten versuchen. Die Gefolgschaft wird oftmals erkennbar, indem sich diese Klienten vor oder in dem Stadtpalazzo des Mächtigen einfinden, um dort um einen Gunsterweis nachzusuchen. Ihre Präsenz in anticamera, also "im Vorzimmer", kann als politischer Pegelmesser für Macht und Einfluss gelten. In der Folge entsteht ein klienteläres Netzwerk aus Gefolgschaft und Erwartungshaltungen, das sich - je nach politischer Kultur - vom Meuchelmörder über den Dieb bis zum Kleinhandwerker, Künstler und leitenden Angestellten erstrecken kann. Ähnlich ist es an den Höfen: Der Patron bei Hofe ist kraft Natur der Sache der Herrscher oder dessen einflussreichster Ratgeber, - der gleichsam die Spitze der Klientelbeziehungen bildet. So bindet sich die Gefolgschaft vieler Familien an die Erwartungshaltung, bei Hofe Ehrenstellen und somit politischen Einfluss und zugleich eine entsprechende Versorgung zu erhalten. Von unglücklichen Herrschern übersehen wird allerdings, dass eine Abweisung der Erwartungshaltungen auch einen Kollaps ihrer Macht mit sich bringt.


Die Gefolgsleute sammelten sich stets am Horastage vor seinem herrschaftlichen Hause, dass man seine Macht und seinen Einfluss sehen würde. Mancher unter jenen hatte auch eine Bitte, obzwar die meisten schon ihr Erscheinen für die schuldige Horastäglichkeit ansahen. Man pflog dem Herrn auch die üblichen Geschenke zu machen, dass seine Gunst sich erhalte oder gar besonders auf einen einzelnen gelenkt werde.

Vertikale Fortsetzung

Eine vertikale Fortsetzung ist ein wesentliches Kennzeichen der klientelären Herrschaft, denn der Klient hat - in ungefährer Analogie zum Lehenswesen, jedoch insgesamt weit instabiler - oftmals seinerseits Klienten. Wer etwa in der Stadt oder am Herzogshofe sich einen mächtigen Patron entdeckt hat, hat binnen kürzester Zeit selbst eine Anzahl von Gefolgsleuten, die an dieser Beziehung indirekt profitieren wollen. Ebenso mag der Herzog erwogen haben, wen er zu seinem Gefolgsmann macht, um über dessen Klientel indirekt verfügen zu können.
Ferner ist die klienteläre Herrschaft auch auf größere Personengruppen und Körperschaften zu beziehen, nicht nur auf Individuen. So kann eine Familie, ein Dorf, eine Ortschaft, ein Stadtteil oder eine ganze Stadt die Klientin einer einzelnen mächtigen Familie sein. Ebenso kann eine Stadt die Klientin einer anderen Stadt sein, ohne dass zwingend eine politische Formalisierung vorliegen müsste. Somit dehnt sich das Prinzip der Patronage weit über die Beziehung zweier Personen auf Personenverbände und Körperschaften aus. Dabei sind die Gesetze der Patronage grundsätzlich ungeschrieben und verdichten sich erst im nächsten Schritt zu Ritualen oder gar zu einer Rechtsform im engeren Sinne. Kurz gesagt: Wenn ein ganzer Stadtteil den Schutzheiligen einer einzelnen Familie zu feiern beginnt, kann deren Herrschaft als äußerst gefestigt angesehen werden. Wenn ein Dorf mit Bittschriften an eine einzelne Familie herantritt und nicht unmittelbar an den rechtlich zuständigen Magistrat, handelt es sich um einen Staat im Staate. Wenn die Dorfgemeinschaft die Insignien der Familie am Haus des Dorfvorstandes anbringt, ist der Vorgang abgeschlossen. So sind auch Lehensbeziehungen - in dieser Lesart! - lediglich extrem gefestigte, zumeist sehr alte und vor allem rechtlich verankerte Klientelbeziehungen.
Die Beziehung zwischen dem Patron - wörtlich: dem "großen Vater" - und dem Klienten drückt sich bezeichnenderweise in Anredeformen aus, wie sie auch zwischen Vater und Kind angewandt werden könnten. So mag mancher Gönner die gleichsam kindliche Treue seiner Gefolgsleute loben oder gar eine Person in einem Brief mit "carissimo figliuolo" adressieren, als "liebsten Sohn". Sehr mächtige Parteihäupter haben Einfluss auf die Eheschließungen ihrer Klientelfamilien oder können doch zumindest auf ein Arrangement von Verbindungen hinwirken. In dieser Rolle ähnelt der Patron dem Vater und zugleich dem Gutsherrn.

Mittel und Grenzen

Die Mittel und Grenzen der Patronage sind offen oder ruhen in der Natur des Einzelfalls. So mag man sich etwa einen Patron in Mengbilla vorstellen, der in seinem klientelären Netzwerk einen Taschendieb ausfindig macht. Er beauftragt jenen mit einem Meuchelmord und kann voraussichtlich mit der treuen Ausführung durch seinen Klienten rechnen. Unter einer Bedingung: Der Taschendieb wird in diesem und auch in anderen Fällen bedingungslosen Schutz verlangen dürfen. Gäbe der Patron ihn nach der Bluttat hingegen der Verfolgung preis, so wäre dies ein zu Praios emporschreiender Akt des Verrates und der Bruch eines ungeschriebenen Ehrenkodex. Der Patron würde üble Konsequenzen zu spüren bekommen, so etwa den vollständigen Verlust seiner Klientel im Milieu der Kleinkriminellen und deren Überlaufen zu seinen Feinden. Auf größerer Ebene können Familien mit ihrer Klientel ganze Staaten verlassen, falls ihre Interessen nicht geschützt oder konsequent abgewiesen werden.
Als Grenze der Patronage sei aufgezeigt, dass der Ausbau eines Klientelsystems immer auch die Erschließung neuer Ressourcen einfordert - und zwar in einer sich potenzierenden Weise. Wer als mächtiger Gönner mit stolzen Worten die Heerscharen der Schutzbedürftigen und Bittsteller unbesehen mit Versprechungen lockt, kann sehr leicht in die Situation geraten, sich unversehens selbst Geld leihen oder seinen Palazzo verkaufen zu müssen. Der Herr Praios straft also die Hochmütigen und wirft ein gefälliges Auge auf den umsichtigen Patron, der weniger wahllos und behutsamer seine Klientel ausbaut.
Unter dem Blickpunkt der Repräsentation sei die Stiftung von Bauten und Kunst genannt, deren Wesen - so die Kritiker - oftmals auf die Selbstverherrlichung eines mächtigen Patrons und seiner Partei zurückgehen, nicht auf eine Ehrfurcht vor den Göttern. Mit Blick auf die Verfestigung einer Klientel sei hierbei jedoch gleichfalls angebracht, dass der Kultusbereich auf die Ausdehnung der Klientel und die Schaffung von Identitäten ausstrahlen kann.

Gefahren

Die Gefahren der Patronage sind - man ahnt es bereits - vielfältig:

1) Ihr erstes Problem ist die Existenz mehrerer klientelärer Netzwerke nebeneinander. Geraten zwei Patrone in Streit - beispielsweise aus familiären Gründen oder wegen ihrer Konkurrenz -, so weitet sich ihr Konflikt auf die Gefolgschaften aus. Die Folge kann Straßenkampf oder Bürgerkrieg sein.
2) Als weiteres Problem ist die Möglichkeit denkbar, dass die Klienten untereinander um die Gunst des Patrons konkurrieren und schlimmstenfalls gar sein Potential vollends überfordern, so dass er folgerichtig Personen zurücksetzen muss. Der Wechsel von Gefolgschaften kann sodann überaus konfliktträchtig sein.
3) Auch sei die Möglichkeit genannt, dass ein Klient gleichsam im Windschatten seines Patrons selbst starken Einfluss gewinnt und im klientelären Netzwerk an ihm vorbeizustreben beginnt bzw. eine eigene starke Klientel entwickelt. Eine solche Parteispaltung kann gleichfalls blutige Folgen haben.
4) Da die Klientelbeziehungen wie von selbst als erblich begriffen werden - keineswegs rechtlich, wohl aber im Anschluss an den Erben eines Patrons -, kann der Übergang zwischen Familienoberhäuptern für den Fall eines ungeschickten Nachfolgers das Netzwerk gefährden und politische Gegner umgehend profitieren lassen.
5) Da die Auflösung von Streitigkeiten oftmals in die Verhängung von Verbannungsurteilen mündet, kann eine Partei von Exilierten von außen Krieg herantragen und auswärts oder auch in der Stadt oder dem Territorium selbst nach Verbündeten suchen bzw. die oftmals sehr verflochtenen Klientelbeziehungen nutzen.
6) Eine Gefahr für den Frieden sind nicht klientelisierte Bevölkerungsgruppen. Etwa Manufaktur- und Wanderarbeiter, die außer einer Ausnutzung ihrer Kräfte nichts erwarten können, bilden das Potential einer Empörung gegen die städtischen Eliten. Dieses Potential auf die Besitzenden zu lenken, kann das Mittel für den Machterwerb von Volksführern sein, führt jedoch zugleich in den Bürgerkrieg - und in aller Regel auch in den Ruin des Anführers der Bewegung. In großem Maßstab ist den großen Republiken auch davon abzuraten, ihre sozialen Probleme durch eine Liquidierung des Landadels lösen zu wollen.
7) Nicht zuletzt sei eine politische Gefahr für die Staatsform aufgezeigt: Wenn ein klienteläres Netzwerk übermächtig wird, kann es über parallele Absprachen und Gebote des Patrons die Selbständigkeit von Ämtern und Magistraten ersetzen und etwa die Stadtherrschaft faktisch in die Hand einer Einzelperson legen. Dynamisiert sich diese Entwicklung, kann der Patron sogar unfreiwillig zum Vorgehen gegen Dissidenten gezwungen sein, weil eine Aufgabe seiner Position zunehmend mit politischem und wirtschaftlichem Selbstmord gleichzusetzen wäre.


Und also liefen seine Gefolgsleute zusammen, bis dass er selbst zu Ross erschien und sie zu den Leuten seines Schwagers geleitete. Der hatte hinter dem Platz schon die Ketten spannen lassen, damit von jenseits des Flusses herandringenden Gegner nicht ungehindert das Quartier erstürmt haben würden. Auf den Dächern standen einige Menschen mit Steinen. Die Ladenbesitzer trugen mit Eile ihre Habe in die Häuser und mancher erschien mit Schwert oder Prügel, um seinem Haupt eine Hilfe zu sein.


Einige mögliche Begriffe

Partei, Klientel, Gefolgschaft - Faktion oder die parte
Oberhaupt - der capo
Gefolgsmann/-frau - der/die partigiáno, -a
gegenseitige Treue - die fede (= bosp. fides)
Vorzimmer - die anticámera
beim Patron anstehen - antichambrieren
Beredung, Verhandlung - die prática (Pl. -che)
politische Eintracht und Friede - die concórdia civíle, unióne
politische Zwietracht und Unruhen - die discórdia civíle, disunióne
Verbannung - der confine

Weise Beobachter der Politik blicken auf innenpolitischen Zwist in den Städten und auf die Bildung wie auch den Untergang von Territorialverbänden. Geläufig ist daher die Weisheit, die Herrscher seien zwar auf den ersten Blick zu beneiden, auf den zweiten Blick aber zu bemitleiden. Wer die Macht hat, muss sie zu erhalten suchen und steht in einem fortwährenden Kampf um diese teure Braut.


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