Standesideal (Kleiner Hausvater)
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Ein Standesideal bezeichnet den von einer Gruppe angestrebten gesellschaftlichen Soll-Zustand und zugleich - in aller Regel, wenn auch oftmals absurderweise - ihr Selbstbild. Grundsätzlich auch eifert das gemeine Volk dem Standesideal der Eliten nach, so dass die Elitenkultur eine nicht geringe Ausstrahlung auf die Moral des ganzen Volkes hat.
- "Wie der Herr, so der Knecht."
Die Eliten des Horasreiches haben angesichts ihrer sozioökonomischen Verankerung ein insgesamt einheitliches Standesideal. Es entspringt - trotz gegebener Nuancen - dem Bild der Cortesia, also der adeligen Höfischheit. Sie findet ihren Ursprung in der gesellschaftlichen Distinguiertheit der Elite und kann daher als eine Ideologie der gezielten Abgrenzung gegenüber der Unterschicht aufgefasst werden. Hierbei hat sie den alten Standpunkt der Ritterehre in sich aufgenommen und mit den Idealen des Hoflebens vereint.
- Auch die Sekundärelite des Neuadels und der städtischen Patrizierschaft ist mit dem Standpunkt der Cortesia vertraut. In einem geläufigen Erscheinungsbild hat sie jedoch einige ihrer irrationalen Momente noch nicht aufgenommen.
Ein wichtiger Aspekt der Cortesia ist der Erwerb und die Verteidigung von Ehre (vgl. bosparanisch gloria). Hierbei handelt es sich vornehmlich um den Standpunkt des äußeren Ansehens bzw. der Reputation. Dies hat für den Anhänger dieses Ideals zur Folge, dass er auch ohne eigenes Verschulden in die Situation geraten kann, seine Ehre verteidigen und wiederherstellen zu müssen. Ihrer Ideologie nach ist sie auch einer ganzen Familie zu eigen und wirkt daher sozialdisziplinierend auf ihren einzelnen Exponenten, weil er bestehendes Ansehen nicht achtlos zerstören und seine Nachkommen nicht in Unehren leben lassen könne.
Eine besondere Werthaftigkeit der alten Eliten kommt hierbei durch die überhöhte, rondrianische Anschauung zustande, die Ehre sei dem Wert des derischen Lebens überzuordnen ("Ehre geht vor Leben"). Diese Haltung hinwieder wird dem Pöbel nicht zugesprochen und ihm wegen dessen sittlicher Minderwertigkeit auch nicht abverlangt. Hingegen kann ein Rittersmann seine Ehre nur als gereinigt ansehen, wenn bei der dazugehörigen Handlung, etwa dem Duell, eine Gefahr des Lebens vorgelegen hat. In rondrianischen Belangen wird dieser Ehre geläufig Ausdruck verliehen, indem der Rittersmann mit außerordentlichem Mut und außerordentlicher Todesverachtung ficht, um seine Werthaftigkeit zu demonstrieren und um dem gemeinen Pöbel als Vorbild zu dienen. Hieraus ergaben sich in der Vergangenheit oftmals schlachtentscheidende Momente, denn der besondere Mut, die Feigheit oder auch der Tod eines Anführers zeitigte bisweilen unweigerliche Auswirkungen auf die Standhaftigkeit des gesamten Kriegshaufens. Probleme bereitet der aristokratische Ehrbegriff nicht selten wegen seiner agonalen Ausrichtung, also wegen der ihm immanenten Auffassung eines Wettbewerbs. Vor allem im Bereich des Duellwesens haben die Großen des Reiches daher bisweilen Schwierigkeiten mit epidemiehaft vermehrten Todesfällen im Edlenstand. Auch im Kriege hat es bereits mehrfach Situationen gegeben, in denen der Schlachtplan verworfen werden musste, sobald die Offiziere eigenmächtig und ihrer persönlichen Reputation halber, übergeordnete Ordinanzen missachtend, mit ihrer Abteilung das Kampfgeschehen aufsuchten.
Ein Standpunkt der Treue gibt im ursprünglichen Wortsinn eine sittliche Aufrichtigkeit zum Ausdruck (vgl. bosparanisch fides). Sie impliziert - wenigstens in der Theorie - die Verpfändung der Ehre. Sie ist das Fundament des Lehnswesens, insoweit sie Gefolgschaften hervorbringt und eine personale Bindung schafft. Eine Infragestellung der Treue bringt, den Ehrenstandpunkt berührend, geläufig Duelle und Fehden hervor. Der Ausruf "Bei meiner Treue!" kann jedoch ebenso den Wert einer Aussage bekräftigen und bei entsprechendem Ansehen des Rittersmannes jede weitere Diskussion beenden.
Eine Verpflichtung auf die Mäßigung (vgl. bosparanisch temperantia) hält den Anhänger des Ritterideals von einer unbedachten und uferlosen Entladung seiner Affekte ab. Sie ist in der Liebe, im Umgang mit überwundenen Feinden und überhaupt in jeder Lebenslage eine Tugend. In engem Zusammenhang damit steht auch das Ideal der Sprezzatura, welches verlangt Anstrengung nicht sichtbar werden zu lassen.
Daneben ist die Stetigkeit (vgl. bosparanisch constantia) eine Tugend des Durchhaltens und Aushaltens. Insbesondere in der Rahjen- und Travienauffassung des Ritterideals steht sie für eine dem gemeinen Manne überlegene Werthaftigkeit, weil sie das Ausleben des Affektes hintanstellt und somit die pöbelhafte und viehische, unbezähmte Unzucht von sich weist. Der Anhänger des Ritterideals ordnet sich vielmehr seiner Dame unter und übersteht kraft seiner Mäßigung und Stetigkeit auch deren Zurückweisung.
Die Militia Horanthis, der Kriegsdienst des Horas, verpflichtet den Vertreter der Cortesia auf eine Wahrung der zwölfgöttlichen Ordnung, eine Verteidigung ihrer Kirchen und Treue in der eigenen Göttergläubigkeit. Hierbei ist unter Gewahrung seiner Tugenden von ihm zu erwarten, dass er diese Ordnung auch unter Einsatz und Gefahr seines Lebens verteidigt. Hinzu tritt ein starker Aspekt von Demut, in dem sich Gehorsam und Ehrfurcht vor der übermenschlichen Moralität der Götter zeigen.
Die Auffassung einer Gleichheit aller Aristokraten - und zwar zunächst unabhängig von etwa lehensrechtlichen Strukturen - bringt den ideologischen und politischen Gruppenkonsens der Elite zum Ausdruck. Dies kann sogar die Züge verwandtschaftlicher Anreden entwickeln, auch wenn eine Vetternschaft nicht vorliegt.
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