Kamarilla (De re publica libri XII)

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Das so genannte "Kamarilla"-Problem (von bosp. camera, "das Zimmer") bezeichnet die Gefangenschaft einer Herrscherpersönlichkeit zwischen den sie umgebenden Ratgebern, der "Kamarilla". Das Problem liegt in der jedem Ratgeber zu eigen seienden persönlichen Zielsetzung, die den Ratschlag hintergründig begleitet: Ein kluger Herrscher kann und wird nicht mit der Ehrlichkeit seiner Ratgeber rechnen. Der Ratgeber neigt aus einem persönlichen Interesse heraus dazu, den Herrscher beeinflussen zu wollen. Äußerst eitle und intuitionslose Herrscher fallen zudem auf den Unterwürfigkeitsgestus geschickter Höflinge herein. Im Extremfall wird der Herrscher vollends zur Kreatur seiner Ratgeber oder auch wankelmütig wegen eines allseits gunstbuhlerischen und vielleicht sogar ineinander zerstrittenen höfischen Umfelds. Eine besondere Gefahr geht hiervon auch für das Gemeinwesen insgesamt aus, denn ein eitler Monarch, der nur Günstlinge und falsche Freunde fördert, bringt die schlechtesten Eigenschaften des Menschen zur Entfaltung und besetzt die wichtigsten Staatsämter mit dem Typus des Opportunisten.


"Ein kluger Herrscher hütet sich vor den Schmeichlern. Aber die Macht an sich zieht die Schmeichler an wie ein Kothaufen die Schmeißfliegen. Was tun?"


Sozialromantik: Ein kluger Fürst befragt heimlich seinen lebensklugen Knecht.
Realität: Ein kluger Fürst wählt einen Berater, der ein eigenes Interesse am Erfolg hat, aber auch nicht zu viel Eigengewicht.

Ein kluger Herrscher begegnet dem "Kamarilla"-Problem, indem er sich zwei Personen aus seinem Umfeld sucht, deren Meinung er abseits seiner öffentlichen Erscheinung ohne jede Rücksicht auf seine Majestät offen anhört. Eine Meinung benötigt er für eine Position, die zweite Meinung für einen Abgleich - und um nicht dem ersten Ratgeber aufzusitzen. Dabei benötigen diese engen Vertrauten das Gefühl, auch für von ihnen ausgesprochenen Tadel nicht in der Gunst zu sinken, - was leicht fällt, insofern nur schwache Fürsten den Tadel ihrer engsten Berater nicht ertragen. Das Geschwätz und die Versuche weiterer Höflinge allerdings ignoriert der kluge Herrscher in jeder Beziehung und so auch in Rücksicht auf seine Position.


"Die einsamsten Menschen auf Deren sind die Fürsten: Der Fürst muss wissen, dass sein gesamtes Umfeld ihn um der Nähe der Macht willen zu belügen bereit ist. Ist er zu weisen Worten aufgelegt, lobhuldigt der Hofmann ihm um der Gunst willen, nicht in aufrechter Würdigung des fürstlichen Witzes. Und je mehr wir dies gewahren, um desto mehr müssen wir Beispiele echter Treue loben, wie sie uns aus dem Leben von Cuanu ui Bennain und dem großen Raidri Conchobair berichtet werden."


Vorbeugend ist es in der Fürstenerziehung von höchster Bedeutung, das Kind nicht zu verwöhnen, weise Lehrmeister auszuwählen und es durch besondere Strenge zur Demut zu erziehen. Andernfalls gelangt ein eitles, egozentrisches, anmaßendes und allen Lastern holdes Geschöpf auf den Thron: Der Schmeichler hat leichtes Spiel, wenn er ein von Kindesbeinen an verdorbenes, ohne sittliches Gefühl und ohne ernste Wahrnehmung der schweren Aufgaben erzogenes Fürstlein vor sich hat. Daneben muss der Fürst von Natur aus über große Intuition verfügen, um die geheuchelte Aufrichtigkeit von der ehrlichen Sorge zu scheiden, die Larve von dem hehren Antlitz, die Lüge von dem biederen Bemühen um Wahrheit und Wahrhaftigkeit.


"Ein abschließender Rat sei auch, dass der erste Berater nach Möglichkeit in der Situation sein sollte, Fehlentscheidungen und falsche Ratschläge zu meiden, weil er selbst seinen Arsch in Pfandschaft hat. Wenn nämlich der erste Berater mit seinem Fürsten in einem Boot sitzt, meidet auch die ärgste Ratte den Schiffbruch auf hoher See. Anders gesagt: Willst du den Novadi abwehren, so frage eher noch einen Grenzritter als eine notorische Galahanistensau. Ersterer haftet dir für seinen Rat mit seinem Leben, letztere wartet auf deinen Ruin und getzt nach dem Verlust deines Prestiges."


Weitere Ratschläge seien der immanenten Grundproblematik anheimgestellt, so dass auch Lösungen denkbar werden, die vor einer Auswahl vergifteter Kelche das am wenigsten tödliche Gift vorziehen. Doch die gute Nachricht zuletzt: Zuweilen kann ein Herrscher, der eine Fehlentscheidung getroffen hat, auch seinen Berater opfern und jenem das Verschulden auflasten. In der tulamidischen Despotie wird es sogar erforderlich, einen zu guten, zu erfolgreichen und mit zu guten Verbindungen ausgestatteten Wesir dem stämmigen Mann mit dem Doppelkhunchomer zuführen zu lassen, - stets gesetzt, jener sei es noch nicht gewohnt, auf den Wesir zu hören.


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