Talking Book

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  • Ursprünglich verwendet von _ungebildeten_ Sklaven. Weiße lasen den Schwarzen vor, doch wenn sie dann selbst ein Buch in die Hand nahmen _sprach_ es nicht zu ihnen.
  • Begriff dann geprägt von Henry Louis Gates in _The Signifying Monkey_: Schwarze nehmen weiße Formen von Literatur und Sprache und deuten sie um, füllen sie mit schwarzen Inhalten ==> Andere Verwendung der gleichen Sprache. Der Text wird somit _double-voiced_. Gleichzeitig ist die Tatsache, dass ehemalige Sklaven lesen und schreiben lernen aber auch Zeichen ihrer gesellschaftlichen Emanzipation.
  • Ein Beispiel: Douglass in seiner _slave narrative_ ==> Verwendung des Chiasmus

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afroamerikanische Kultur/Literatur ->bedeutend dabei slave narratives (schon vor Bürgerkrieg 1861, besonders wichtig: Frederick Douglass 1845) Erklärung: eingeführt von dem bedeutenden Literaturwissenschaftler HENRY LOUIS GATES JR., dem Leiter der Afro-American Studies Department in Harvard und einem der prominentesten schwarzen public intellectuals„ in den USA ->berühmte, einflussreichen Studie „The Signifying Monkey“ (1988); enger Zusammenhang zu Chiasmus ->beide: a) beschreiben auf einer direkten oder wörtlichen Ebene eine konkretes Phänomen in der afroamerikanischen Literatur (für welche die SLAVE NARRATIVES und besonders die prominenteste von FREDERICK DOUGLASS der wichtigste Ausgangspunkt ist!), b) laut Gates aber auch in einem übertragenden Sinne als Tropen (=etwas, das für etwas anderes steht) für Erscheinungsformen der amerikanischen Kultur benutzt werden können. ->TALKING BOOK KONKRET : die in slave narratives immer wieder anzutreffende Beschreibung des Schlüsselerlebnisses eines (aus einer oralen, also nichtschriftlichen Kultur stammenden und damit analphabetischen) Sklaven gemeint, der einen Weißen (auf Schiff oder Master)bei dem für den Betrachter komplett rätselhaften, unverständlichen Vorgang des Lesens eines Buches beobachtet ->egal ob sich um lautes Vorlesen stummes, aber von Lippenbewegungen begleitetes Lesen ->den Sklaven beim Anblick suggeriert, der Weiße SPRECHE MIT DEM BUCH ->Vorstellung, dass auch das Buch auf eine, für den Sklaven unverständliche Art zu dem Weißen zurücksprechen müsse (denn warum sollte man sonst die ganze Zeit auf das Buch „einreden“?) ->Wenn die Sklaven dann aber versuchten, selbst mit dem Buch zu „sprechen“ blieb selbiges stumm, das „talking book“ sprach offensichtlich nicht mit Schwarzen bzw. Sklaven; sehr frühes Beispiel für eine solche Beobachtung des Talking Book„findet sich in der Slave Narrative von James Albert Gronniosaw (1771):„[My Master] used to read prayers in public to the ship's crew every Sabbath day; and then I saw him read. I was never so surprised in my life, as when I saw the book talk to my master, for I thought it did as I observed him to look upon it, and move his lips. I wished it would do so with me. As soon as my master had done reading, I followed him to the place where he put the book, being mightily delighted with it, and when nobody saw me I opened it, and put my ear down close upon it, in great hopes that it would say something to me; but I was sorry and greatly disappointed, when I found that it would not speak. This thought immediately presented itself to me, that every body and every thing despised me because I was black.“ Bedeutung/Folgen: Gefühl von Minderwertigkeit, von Ausgeschlossenheit und ließ besonders stark den Wunsch heranwachsen, dass das talking book auch in deren eigener Stimme zu den Sklaven sprechen möge, dass es gleichsam eine „schwarze Stimme“ bekäme ->Ironie: erst über Texte der Sklaven wissen wir davon ->Ziel Selbstaneignung: 1. Lesen und Schreiben 2. weiße Formen aneignen und mit schwarzen Inhalten füllen; Gates hat nachgewiesen, dass sich Variationen dieser Beschreibung durch Gronniosaw in zahlreichen anderen Slave Narratives oder weiteren afroamerikanischen Berichten und Texten finden ->talking book ein immer wieder auftauchendes Motiv! Gates benutzt den Begriff in einem zweiten Schritt und dies ist ganz wichtig - aber auch im ÜBERTRAGENEN, metaphorischen Sinne.->Begriff erweiterte talking books, wenn Afroamerikaner ein ursprünglich „weißes“ kulturelles Medium benutzten und es mit „schwarzer Stimme“ sprechen lassen. Zentrales Beispiel: Die AUTOBIOGRAPHIE mit dem impliziten Anspruch des Autors darauf, dass die Darstellung des eigenen, exemplarischen Lebens ein objektives Anrecht auf die Aufmerksamkeit der Leserschaft hat, ist ein ursprünglich weißes Medium, in den USA besonders stark verknüpft mit dem Namen BENJAMIN FRANKLIN. Indem FREDERICK DOUGLASS und HARRIET JACOBS mit ihren Slave Narratives ebenfalls den Anspruch auf Interesse der Leserschaft an ihren Erlebnissen und Erfahrungen erheben, machen sie das Medium (oder Genre) der Autobiographie zu einem talking book„, „[they‚re] making the written white text speak with a black voice" (abermals Gates). ->Text„ ist hier durchaus in sehr weitgreifendem Sinne gemeint, kann sich zum Beispiel auch auf das Medium Film beziehen. Auch im afroamerikanischen Kino gibt es die Tendenz der Aneignung von Weißen für Weiße entwickelter Genres, z.B. des Actionfilms, der in der afroamerikanischen Variante der frühen 70er Jahre (bekanntestes Beispiel: das Original von „Shaft“!) zur so genannten Blaxploitation-Welle gehört. Die Strategie ist dabei oft doppelbödig, d.h. es handelt sich beim Talking Book„(noch einmal zur Betonung: hier im ÜBERTRAGENEN Sinne gemeint!) sowohl um eine Anverwandlung wie um eine Unterminierung des Vorbilds. „Shaft“ kopiert in diesem Sinne gleichzeitig ein weißes Genre, macht sich aber im selben Moment über die dominante weiße Kultur ->auch: Chiasmus (Überkreuzstellung: so Unterminieren von weißen Strategien auf formaler Ebene (in slave narratives); die dieses Genre hervorgebracht hat, massiv lustig. Ähnlich Douglass: Er bedient sich des „weißen“ Genres der Autobiographie, hinterfragt in seinem Buch aber gleichzeitig die moralische Fundierung einer weißen Gesellschaft, die das System der Sklaverei toleriert oder sogar auf ihm aufgebaut ist;

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