Zweiter Tag: Die Volksregierung (Rerum Belhancanarum dialogus)

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Am fiktiven zweiten Tag des Dialogs in der Schrift "Rerum Belhancanarum dialogus" wird die reine Volksherrschaft vorgestellt. Der fiktive Hauptsprecher bzw. die halbliterarische Hauptfigur dieses Dialogteils ist Pereijan von Leyden, ein verfolgter Häretiker.


Zusammenfassung

Pereijan von Leyden - fiktiver Hauptsprecher am zweiten Tag des Dialogs

Eingangs kommt der Hauptsprecher zu der Feststellung, dass es zwei Arten von Lebewesen gibt: Die eine Art hat von Natur aus keinen Intellekt und keinen freien Willen, zu ihrem Überleben jedoch angeborene Fertigkeiten und sozusagen Ausstattungen erhalten. Die andere Art hat Intellekt und einen freien Willen, lebt jedoch mit dem Mangel sonstiger Schwäche. Zu letzterer Art gehören die Menschen. Damit sie überleben können, müssen sie sich in einer Gemeinschaft zusammenschließen oder - wie ganz wenige - beinahe anspruchslos leben wie ein beinahe gottgleicher Eremit oder wie ein halbes Tier.

Das Ziel der Gemeinschaft ist Friede und Geschlossenheit, insofern ein geschlossenes Gemeinwesen machtvoller ist. Also ist eine Staatsform erforderlich, die das Universale widerspiegelt, - was im Übrigen auch der zwölfgöttlichen Herrschaft der Welt entspräche. Daher fiele die erste Wahl der Staatsform auf die Monarchie. Allerdings ist auch der Volkscharakter einzubeziehen, - und hier gilt es Unterscheidungen zu machen:

1) Die mittelreichischen Völker sind stark an Blut und kraftvoll, neigen aber zu einer Schwäche des Geistes. Daher sind sie zwar im Kriege fürchterlich, aber dennoch wegen ihrer geistigen Unbeweglichkeit leicht zu unterwerfen. Für sie ist es das Beste, wenn sie einem Fürsten folgen wie die Bienen ihrer Königin.
2) Die tulamidischen Völker sind zwar geistvoll, aber schwach an Blut und kleinmütig. Sie ordnen sich leicht einem Fürsten unter, weil sie auf diese Weise ihren Frieden haben.
3) Der Horasier jedoch ist stark an Blut und stark an Geist. Daher kann er von keinem Tyrannen dauerhaft regiert werden, denn jener würde durch den Einfallsreichtum und die Ränke des Volkes alsbald gestürzt werden.


"Infolge ihrer geistigen Beweglichkeit denken die Horasier sich ständig Intrigen gegen den Fürsten aus und infolge ihrer Kühnheit setzen sie diese leicht in die Tat um, wie man dies immer in Yaquirien gesehen hat, wissen wir doch aus der Erfahrung vergangener Zeiten bis in die Gegenwart, dass dieses nie lange unter der Herrschaft eines einzigen Fürsten verweilen konnte, vielmehr sehen wir, wie dieses - mag es noch so klein sein - unter fast ebensovielen Fürsten aufgeteilt ist wie es Städte gibt, die fast nie in Frieden leben."


Besonders ungeeignet für einen Fürsten ist das Volk der Belhankaner. Hier tritt zum Volkscharakter auch die Gewohnheit hinzu. Und auch wenn es gewöhnlich Handel treibt und in Frieden lebt, hat man doch immer wieder gesehen, mit welcher Kühnheit es der Bedrohung von Fürsten entgegengetreten ist. Allgemein auch ist die Herrschaft eines Tyrannen abzulehnen: Da die schlechten Menschen allgemein überwiegen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Herrscher gut und gerecht ist, eher gering. So nun aber ein Schlechter zu einem Tyrannen geworden, wirkt sich seine Schlechtigkeit stärker aus als unter anderen Regierungen. In dem Maße nämlich, in dem sich das Universale auf ihn konzentriert, führt seine Herrschaft in der Umkehrung des Guten auch zum Höchstmaß von Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit. Nähme man zum Vergleich etwa eine kleine Gruppe von Menschen, so würde sich ihre Regierung zwar auch auf sie konzentrieren - und zwar auch mitsamt ihren Missbräuchen -, wäre dabei aber immer noch auf mehrere Personen verteilt, also in diesem Verhältnis auch weniger schlecht und weniger ungerecht.

Die Herrschaft eines Tyrannen aber erbringt alle Übel. Da Gleiches und Gleiches sich anziehen, zieht der Schlechte auch die Schlechten an. Und ferner: Da er unsicher lebt und in steter Angst, verfällt er zudem in eine Schwermut. Diese versucht er mit Festlichkeiten auszugleichen, zu deren dukatenschwerer Last er sich an dem Besitz seiner Untertanen vergreifen muss. Außerdem ist unter seiner Herrschaft die Keuschheit nicht sicher, denn er stellt den Frauen und Mädchen nach usw. Vor allem aber kann er neben sich keinen ehrlichen Mann dulden und erst recht keinen Reichen, denn dessen Ansehen und öffentliche Erscheinung müssen Neid in ihm hervorrufen. Auch mit Blick auf die Götter ist die Herrschaft des Tyrannen schädlich, denn er huldigt ihnen nur mit heuchlerischen Zeremonien. Außerdem verdirbt er die Geistlichen und überhaupt alle Ämter, indem er sie seinen Helfern zukommen lässt.

Dagegen ist die Volksregierung zu loben. Sie verkörpert durch die Zahl der Menschen das Universale am ehesten. Die Volksversammlung muss dabei so groß sein, dass sie nicht durch Geld, Verwandtschaften und Freundschaften verdorben werden kann. Ihre Größe ist nur soweit zu begrenzen, dass kein Unordnung stiftender Pöbel in sie eindringt. In ihrem Idealmaß schließt sie den Pöbel aus, sorgt jedoch auch dafür, keinem Bürger Anlass zur Klage zu geben. Gegen Menschen, die die Alleinherrschaft an sich ziehen wollen, muss es harte Gesetze ohne Gnade geben, denn die Schlechten geraten um desto mehr in Versuchung, falls man sie nicht züchtigt. So aber ist ein Staat gut eingerichtet, wenn von dieser Volksversammlung sodann die Vergabe der Ehrenstellen ausgeht und die Gesetze erlassen werden.


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