Unechtes Unterlassen
From Ius
Tatbestand
- Erfolgseintritt
- Unterlassen der gebotenen Handlung
Ontologisch-naturalistische vs. normativ-wertende Abgrenzungstheorie.
Hier ist nicht nur das Nichtstun gemeint, sondern das Versäumen der physisch-realen Rettungsmöglichkeit.
- Kausalität
Die Kausalitätsformel wird als Quasikausalität modifiziert: Eine rechtlich erwartete Handlung ist kausal für den Erfolg, wenn sie nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele.
Der Erfolg ist hier nicht in seiner konkreten Gestalt gemeint, sondern in seiner gesetzlich umschriebenen tatbestandsmäßigen Gestalt.
- objektive Zurechung insb. Pflichtwidrigkeitszusammenhang
Fraglich ist, ob der Erfolg auf dem speziellen Pflichtwidrigkeitszusammenhang beruhen muss.
Dies ist zu bejahen, wenn die Handlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der konkreten Gefahrenlage zur Erhaltung des Rechtsguts dh, zur Vermeidung des tatbestandlichen Erfolges, zu einer wesentlichen Lebensverlängerung oder einer wesentlich geringeren Verletzung geführt hätte.
Dies ist zu verneinen, falls die Handlung zum tatbestandlichen Erfolg in anderer Gestalt, gleichartiger Werteinbuße geführt hätte.
- Garantenpflicht
- Gleichwerigkeit von Tun und Unterlassen
§ 13 StGB I 2. HS normiert die Moadalitätenäquivalenz bzw. Entsprechungsklausel. Diese hat eine eigenständige Bedeutung nur bei verhaltensgebundenen (statt kausalgebundenen) Delikten wie den heimtückischen Mord oder die zwangvolle Nötigung.
- Unterlassensvorsatz
Vorsätzliches Unterlassen ist die Entscheidung zwischen Untätigbleiben oder möglichem Tun im Wissen um die Garantenstellung.
Der Irrtum über das Vorliegen der Garantenstellung ist ein Tatbestandsirrtum, ein Irrtum über das Maß der Garantenpflichten ist ein Verbotsirrtum.
Rechtswidrigkeit
Eine rechtfertigende Pflichtenkollision liegt vor, wenn mehrere rechtlich bgründete Handlungspflichten in der Weise an den Normadressaten herantreten, dass er die eine nur auf Kosten der anderen erfüllen kann.
Kollidiert eine Unterlassenspflicht mit einer Handlungspflicht so kommt rechtfertigender Notstand in Betracht (Rettungsmöglichkeit eines Patienten durch erzwungene Blutentnahme).
Rettungspflichten können von verschiedenem Rang sein, das Leben allerdings wiegt stets gleich.
Vorwerfbarkeit des pflichtwidrigen Verhaltens
Der Gebotsirrtum ist gegeben, falls der Unterlassende alle Umstände, die seine Garantenstellung begründen, kennt aber gleichwohl glaubt die rechtlich geforderte Handlung unterlassen zu dürfen.
Die Vorwerfbarkeit steht auch hier unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens.
Versuch des Unterlassens
Der Versuch des Unterlassens ist nur vereinzelt unter Strafe gestellt. (§ 283 StGB III iVm § 283 StGB I Nr 5 1. Alt und Nr. 7)
Ein Unterlassungsversuch kommt in Betracht, wenn die Entscheidung zum Untätigsein durch äußerliche Handlungen in hinreichend erkennbarer Weise manifestiert wird.
Fraglich ist, inwiefern von einem unmittelbaren Ansetzen des Unterlassen gesprochen werden kann. Nach einer Ansicht ist das Ansetzen mit dem Versäumen der ersten Rettungsmöglichkeit gegeben, nach einer anderen Ansicht mit dem Versäumen der letzten Rettungschance. Die herrschende Lehre stellt auf den Einzelfall mittels der Kriterien der Gefahrenintensität und Nähe ab. (A lieft auf Schienen, der Zug komm in einer Stunde; das Baby fällt in den Pool.)
Beteiligung am Unterlassen oder durch Unterlassen
Eine Beteiligung am Unterlassen ist durch positives Tun als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe möglich. Da dies eine Begehungstat wäre, ist eine Garantenstellung nicht erforderlich.
Eine Beteiligung durch Unterlassen ist gegeben, wenn mehrere gemeinsam ein Unterlassensdelikt begehen oder an einem Begehungsdelikt durch Unterlassen mitwirken. Hier ist jeweils eine Garantenpflicht notwendig.
Rücktritt vom Unterlassen
a) fehlgeschlagener Versuch
Ein fehlgeschlagener Unterlassensversuch liegt vor, wenn der Täter erkennt, dass er den tatbestandlichen Erfolg nicht allein durch Unterlassen bewirken kann. (A will B ertrinken lassen. C rettet B und A hilft dann.)
b) unbeendeter Versuch
Solange der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges und der Vorsatz des Täters noch durch Nachholung der ursprünglich gebotenen Handlung abgewendet werden kann, ist ein unbeendeter Versuch gegeben. (Bei Annahme der Mutter durch Milch noch retten zu können.)
c) beendeter Versuch
Beendet ist der Versuch, sobald nach Vorstellung des Täters die Nachholung der ursprünglich gebotenen Handlung für sich alleine nicht mehr ausreicht, den tatbestandlichen Erfolg abzuwenden, vielmehr andere Maßnahmen erforderlich geworden sind. (Kind braucht einen Arzt)
d) untauglicher Versuch
A hält B für schwer verletzt und unternimmt nichts. B ist bereits tot. (Heizungsnischenfall)