Straftaten gegen das Leben

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Straftaten gegen das Leben

Totschlag (§ 211 StGB)

Tatbestand

a) Mensch

Das menschliche Leben beginnt mit dem Einsetzen der Eröffnungswehen bzw der Öffnung des Uterus durch Kaiserschnitt.

Das menschliche Leben endet mit dem Hirntot dh, mit dem irreversiblen und totalen Ausfall der Gehirnfunktionen.

b) Anderer

Die Täterschaft und Teilnahme der (versuchten) Selbsttötung sind nicht strafbar.

c) Töten

Töten heißt den Tod eines anderen verursachen. Kurzfristige Lebensverkürzungen genügen.

e) Vorsatz

Die Rechtsprechung hat die Hemmschwellentheorie entwickelt, welche davon ausgeht, dass das (für den Vorsatz erforderliche) billigende Inkaufnehmen das Überwinden einer Hemmschwelle verlangt.


Minder schwerer Fall (§ 213 StGB)

Dies ist eine Strafzumessungsregel. Sie bezieht sich nicht auf den § 212 StGB.


Mord (§ 212 StGB)

Mord und Totschlag

Die Rechtsprechung sieht im Mord ein eigenständiges Delikt, die Lehre jedoch eine Qualifikation, da der Mord kein eigenständiges Unrecht tatbestandlich normiert. Konsequenzen hat dieser Streit für die Anwendung der täterbezogenen Mordmerkmale und den Prüfungsaufbau.


Verfassungsrechtliche Problematik

a) Problem

Entsprechend dem Schuldprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip muss der Tatbestand und die Rechtsfolge stets sachgerecht aufeinander abgestimmt sein und die angedrohte Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld stehen. Dies ist bei lebenslanger Haft besonders problematisch. Dementsprechend ist ein restriktive Auslegung verfassungsrechtlich geboten. Dies betrifft insbesondere das Mordmerkmal der Heimtücke.


b) Tatbestandslösung

Tatbestandslösungen bemühen sich um eine Restriktion auf der Ebene des Tatbestandes. Die Lehre von der Typenkorrektur schließlich will den Mordtatbestand trotz Vorliegens eines Mordmerkmals verneinen, wenn auf Grund eiener umfassenden Gesamtwürdigung die Tötung ausnahmsweise als nicht besonders verwerflich erscheint.

c) Rechtsfolgenlösung

Demgegenüber belassen es die Rechtsfolgenlösungen zwar bei der Verurteilung wegen Mordes, suchen aber auf der Rechtsfolgenseite nach Wegen, um die lebenslange Freiheitsstrafe zu vermeiden. So ist ein minder schwerer Fall des Mordes angeregt worden. Die Rechtsprechung will in Analogie zu gesetzlichen Milderungsvorschriften den Strafrahmen des § 49 StGB zugrundelegen, sofern Entlastungsfaktoren vorliegen, die den Charakter außergewöhlicher Umstände aufweisen und die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheinen lassen.

Mordmerkmale

Die Mordmerkmale sind in drei Gruppen unterteilt welche sich auf den besonders verwerflichen Beweggrund, die besonders verwerfliche Art und Weise der Tötung und den besonders verwerflichen Zweck beziehen. Die erste und dritte Gruppe normieren somit täterbezogene Mordmerkmale und die zweite Gruppe tatbezogene Mordmerkmale.


Mordlust

Aus Mordlust tötet, wem es allein darauf ankommt, einen Menschen sterben zu sehen.


Befriedigung des Geschlechtstriebes

Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes tötet, wer im Tötungsakt selbst geschlechtliche Befriedigung sucht, wer seine sexuelle Lust an der Leiche befriedigen will oder wer die Tötung zumindest in Kauf nimmt, um den Geschlechtsverkehr durchführen zu können.


Habgier

Habgier bedeutet ein rücksichtsloses Streben nach Vermögensvorteilen oder Verlustvermeidungen um den Preis eines Menschenlebens.


Niedrige Beweggründe

Niedrig ist ein Tötungsbeweggrund, wenn er nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Die Beurteilung richtet sich in einer Gesamtwürdigung auf die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse und die Persönlichkeit des Täters.


Heimtücke

Heimtückisch handelt, wer - in feindseliger Willensrichtung - die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt.

Arglos ist, wer sich bei Beginn des Tötungsversuchs keines erheblichen tätlichen Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versieht.

Wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit zur Verteidigung außerstande oder in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit stark eingeschränkt ist.


Grausamkeit

Grausam tötet, wer dem Opfer besondere Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung zufügt.


Gemeingefährliche Mittel

Mit gemeingefährlichen Mitteln tötet, wer ein Mittel so einsetzt, dass er in der konkreten Tatsituation die Ausdehung der Gefahr icht beherrschen und dadurch eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann.


Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht

a) Ermöglichungsabsicht

Die Ermöglichungsabsicht ist dadurch gekennzeichnet, dass der Täter tötet, um weiteres kriminelles Unrecht begehen zu können.

b) Verdeckungsabsicht

Die Verdeckungsabsicht wird durch das Streben des Täters charakterisiert, sich der Entdeckung wegen einer vorangegangenen Straftat zu entziehen.

Beachtung sollte die Fallkonstellation der Verdeckungsabsicht durch unterlassen finden. (T vergewaltigt und lässt sie verletzt zurück. Er holt keine Hilfe um die Tat zu verbergen. O stirbt.)


Täterschaft und Teilnahme

§ 5 Rengier


Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB)

Strafgrund

In der Norm kommt das Prinzip der Unantastbarkeit des fremden Lebens zum Ausdruck. Der Einzelne kann in eine Tötung durch fremde Hand nicht rechtfertigend einwilligen, weil das Rechtsgut Leben grundsätzlich unverfügbar ist. Die Strafmilderung lässt sich sowohl mit dem Gedanken der Unrechtsminderung (Rechtsgutverzicht) wie der Schuldminderung (Mitleidskonflikt) erklären.


Art des Delikts

Die Norm ist eine Privilegierung gegenüber den §§ 211, 212 StGB. Sie hat Sperrwirkung.


Tatbestand

Das Verlangen ist die Einwirkung des Getöteten auf den Willen des Täters, nicht also eine bloße Einwilligung.

Das Verlangen muss ausdrücklich, also in eindeutiger, nicht misszuverstehender Weise gestellt worde sein; dies kann auch (konkludent) durch gesten und selbst in Frageform geschehen.

Ernstlich ist das Verlangen, das auf freier Willensbildung beruht, das also abgesehen von der Verfügungsbefugnis den Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung entspricht.


Schema

I Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Tötung eines anderen Menschenlebens

b) Ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Getöteten,

c) Durch das der Täter zur Tötung bestimmt wird

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz

b) Gemäß § 16 II StGB greift die Norm auch, wenn die Privilegierung allein subjektiv vorliegt

II Rechtswidrigkeit

III Schuldminderung


Sterbehilfe

a) Aktive Sterbehilfe

Aus § 216 StGB folgt, dass auch die einverständliche aktive Sterbehilfe durch gezieltes täterschaftliches Töten selbst bei aussichtsloser Prognose und schweren Leiden strafrechtlich sanktioniert ist.

b) Indirekte Sterbehilfe

Indirekte Sterbehilfe ist die mit (mutmaßlicher) Einwilligung eines todkranken und schwer leidenden Patienten erfolgende ärztlich gebotene Schmerzbekämpfung mittels bestimmter Medikamente, die zur Linderung unerträglicher Schmerzen verabreicht werden und dabei als nicht vermeidbare, unbeabsichtigte Nebenwirkung den Todeseintritt beschleunigen.

Die indirekte Sterbehilfe ist straflos, wenngleich sie den Tatbestand des § 216 StGB erfüllt. Teilweise wird die objektive Zurechnung über den Schutzzweck der Norm oder die Setzung eines rechtlich gebilligten Risikos abgelehnt. Die hM wendet § 34 StGB an und hält die einverständliche Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerfreiheit für ein höherwertiges Rechtsgut als die Aussicht, unter schwersten Schmerzen noch eine kurze Zeit länger leben zu müssen.

c) Passive Sterbehilfe

Passive Sterbehilfe heißt Sterbehilfe durch Sterbenlassen. Ihre Zulässigkeit beruht auf dem Selbstbestimmungsrecht der verantwortungsfähigen Kranken, der jede ärtztliche Behandlung ablehnen darf, selbst wenn die Weigerung einer sinnvollen Lebensverlängerung/-erhaltung im Wege steht und von daher unvernünftig erscheinen mag.

Dies umfasst auch bestimmte Fälle des (mutmaßlich) einverständlichen Behandlungsabbruchs durch aktives Tun (Abschalten von Beatmungsgeräte). Diese stehen dem erlaubten Unterlassen der Weiterbehandlung wertungsgemäß gleich, da das Recht die Einstellung zu verlangen nicht infolge der (zufälligen) Notwendigkeit eines aktiven Knopfdrucks aufgehoben sein kann.


Strafbare Fremdtötung und straflose Teilnahme an einer Selbsttöung oder Selbstgefährdung


Abgrenzung zwischen strafbarer Fremdtötung und strafloser Teilnahme an der Selbsttötung

Die Strafbarkeit der Teilnahme an der Selbsttötung entfällt mangels Haupttat. Das Kriterium der Abgrenzung ist die Freiverantwortlichkeit der Selbsttötung und die Tatherrschaft des Suizidenten über den unmittelbar lebensbeendenden Akt.

a) Freiverantwortlichkeit der Selbsttötung

Umstritten sind die Anforderungen an die Freiverantwortlichkeit.

Eine Mindermeinung vetritt die Exkulpationslösung, welche die Grenzen der Freiverantwortlichkeit unter sinngemäßer Anwendung der Exkulpationsregeln definiert. Sie führt das Argument an, dass wer sich nur über den Sinn des eigenen Todes irre und also im Motivirrtum handele, dennoch frei und bewusst über sein Leben verfüge.

Die herrschende Meinung vertritt die Einwilligungslösung und bestimmt die Grenzen der Freiverantwortlichkeit nach den Einwilligungsregeln. Sie führt an, dass die Enscheidung in den Tod zu gehen mangelfrei sein muss.

b) Tatherrschaft des Suizidenten über den unmittelbar lebensbeendenden Akt

Mangelt es an der Tatherrschaft scheidet die Strafbarkeit als (mittelbarer) Täter aus.

Strafbarkeit aus Unterlassungsdelikten trotz strafloser Teilnahme an der Selbsttötung

a) Tötungsdelikte durch Unterlassen

Im Fall Wittig (BGHSt 32, 367) kommt Arzt A zu seiner im Koma liegenden Patientin, nachdem diese in freier Selbsttötungsabsicht eine Überdosis Medikamente eingenommen hat. A unternimmt nichts zu ihrer Rettung, weil er ihren Willen respektiert.

Der BGH hält die Strafbarkeit des A für die Tötung auf Verlangen durch Unterlassen für möglich da auf den Garanten im Falle des Verlustes der Tatherrschaft durch Tod diese auf ihn übergehe. Dies wird von der Lehre als widersprüchlich kritisiert. Im Ergebnis lehnte der BGH die Strafbarkeit aus Zumutbarkeitserwägungen ab.

b) Unterlassene Hilfeleistung

Es ist umstritten inwiefern der § 323c, insbesondere das Tatbestandsmerkmal des Ungücksfalles, in Selbsttötungsfällen einschlägig ist. Eine Ansich sieht einen Unglücksfall gegeben, da der Gedanke von der Unverfügbarkeit des Lebens auf die lebensschützende Norm ausstrahlt.


Entsprechende Anwendung bei Selbsgefährdungen

Die dargestellten Grundsätze gelten erst recht, wenn sich in der fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen Tötung die Selbsgefährdung realisiert.


Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)

Es gelten die allgemeinen Regeln.

Aussetzung (§ 221 StGB)

Schwangerschaftsabbruch (§§ 218 - 219b StGB)

Abtreibung und Verfassung

Leitsätze 1-6 BVerfGE 88, 203

Tatbestand

Den objektiven Tatbestand erfüllt, wer eine Schwangerschaft abbricht also die Leibesfrucht abtötet.

Die Leibesfrucht entsteht mit der Nidation (§ 218 I 2 StGB), die in der Regeln nach dem 13. Tag seit der Empfängnis abgeschlossen ist. Die Leibesfrucht wird zum Menschen iSd Strafrechts, wenn die Eröffnungswehen einsetzen. Ob eine Leibesfrucht oder eine Mensch Tatobjekt sind richtet sich nach dem Zeitpunkt der Einwirkung.

Täterkreis und Strafbarkeitsbereich

Als Täter kommen der Laie, der Arzt und die Schwangere selbst in betracht. Es werden verschiedene Strafrahmen definiert.

Der Schwangerschaftsabbruch des Laien ist grundsätzlich strafbar.

Für den Arzt bleibt der Schwangerschaftsabbruch in den Fällen des § 218a I-III StGB straflos.

Der Selbstabbruch durch die Schwangere als Täterin ist strafbar, es gelten aber Privilegierungen.

  • Gemäß § 218 III StGB ist der Strafrahmen herabgesetzt.
  • Gemäß § 218 IV 2 StGB sieht bezüglich der Versuchsstrafbarkeit einen persönlichen Strafausschließungsgrund vor.
  • Die Strafbarkeit der Schwangeren entfällt in den Fällen des § 218a I-III StGB.
  • § 218a StGB sieht einen persönlichen Strafausschließungsgrund vor, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung und von einem Arzt innerhalb von 22 Wochen seit der Empfängnis vorgenommen wird.
  • Nach § 218a IV 2 StGB kann von der Strafe abgesehen werden, wenn sich die Schwangere im Zustand besonderer Bedrängnis befindet.

Es kommt ein Fremdabbruch durch Unterlassen beispielsweise durch den Vater in diesen Fällen in Betracht.


Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (§ 218a I-III StGB)

§ 218a I StGB normiert einen Tatbestandsausschließungsgrund sui generis. Dieser Orientiert sich rein prozessual an der Beratung, der Durchführung durch den Arzt und der 12-Wochen-Frist.

Die medizinisch-soziale und die kriminologische bzw enthische Indikation sind in den Absätzen II und III als Rechtsfertigungsgrund normiert.

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