Objektive Zurechenbarkeit

From Ius

(Difference between revisions)
 
(9 intermediate revisions not shown)
Line 1: Line 1:
-
'''Definition:''' Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg dann, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat. '''(1)'''
+
'''Definition'''  
-
Bei der Bewertung der Gefahr ist folgendes zu beachten:
+
Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg dann, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen und/oder erhöht hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.
-
* '''Schutzzweck der Norm'''
+
Wird das Risiko nicht erhöht sondern lediglich in der Art modifiziert, dass es mit gleicher Intensität zur selben Zeit auf anderem Wege sich realisiert so ist Zurechung zu verneinen. Umstritten ist Verneinung der Zurechung in dem Falle wenn eine ganz neue Kausalkette von gleichem Risiko gesetzt wird.
-
* '''allgemeines Lebensrisiko & erlaubtes Risiko'''  (auch Unbeherrschbarkeit)
 
-
* '''freiverantwortliche Selbstschädigung/-gefährdung'''  
+
'''Notwendigkeit und Probleme'''
-
* '''eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten'''
+
Die Notwendigkeit eines Korrektivs der Kausalität ist unbetsritten. Allerdings wird die Lehre von der objektiven Zurechnung als Strudel und Krake kritisiert welche auf die Rechtswidrigkeit und die Schuld ausgreife. Des weiteren fehlt es an systematischer Begründung, was durch verwirrende Kasuistik kompensiert wird.
-
* '''Risikoverringerung'''
+
In den ersten drei Fallgruppen wird keine rechtlich relevenate Gefahr geschaffen.
-
Bei der Bewertung des Erfolges ist zu beachten:
+
In weiteren vier Fallgruppen hat sich die Gefahr nicht im Erfolg realisiert.
-
* '''atypischer Kausalverlauf'''
 
-
* '''Pflichtwidrigkeitszusammenhang'''  
+
'''Schutzzweck der Norm'''
 +
Nicht der bloße Verstoß gegen eine Norm, sondern lediglich die Schaffung einer Gefahr welche gegen den Schutzzweck der Norm verstöß ist objektiv zurechenbar.
-
----
+
Ein Beispiel ist der Fall drei lichtlose Fahradfahrer A,B und C. Es gibt einen Zusammenstoß zwischen A und B; B stirbt. Der Tod ist dem A zurechenbar da eine Schutznorm (Licht zur Eigensichtbarkeit und Eigensehen) verletzt ist. Dem C ist der Tod des B aber nicht zurechenbar auch wenn sein Licht den Unfall hätte verhindern können, da Schutzzweck der Norm nicht missachtet ist (Licht nicht für Vermeidung fremder Unfälle).
 +
 
 +
 
 +
'''allgemeines Lebensrisiko & erlaubtes Risiko '''
 +
 
 +
Gefahr ist nur zurechenbar wenn sie das allgemeine Lebensrisiko und das erlaubte Risiko übersteigt. Erlaubt kann ein Risiko aufgrund seines sozialen Nutzens sein (Teilnahme am Straßenverkehr).
 +
 
 +
Beispiel dieser Fallgruppe ist die Zeugung eines Mörders oder Auftrag zu einem Flug, welcher verunglückt, was aber der AUftraggeber nicht beherrschen kann.
 +
 
 +
Die Bewertung des Risikos ist schwierig in Fällen, in welchen es möglich ist, dass durch ein Verhalten ein Anlass zu einer Straftat gegeben wird. Beispiel ist hier das Handeln eines Arztes, welcher fahrlässig einen Schrank mit giftigen Arznei nicht verschließt, was die Krankenschwester nutzt ein Mittel zu entwenden um ihren Liebhaber zu töten. Hier greift der Vertrauensgrundsatz. Es ist legitim, davon auszugehen, dass niemand eine Straftat begehen wolle. Anderes gilt falls Zeichen der Neigung zur Straftat sichtbar sind.
 +
 
 +
Problematisch ist die Zurechenbarkeit auch in Fälle nachträglichen pflichtwidrigen Verhaltens Dritter. Ein Beispiel ist der das Handeln eines Arztes, dem ein Kunstfehler unterläuft. Strittig ist ob hier der Vertrauensgrundsatz greifen kann. Wenn dies der Fall wäre, Ausnahmen gelten falls Anzeichen sichtbar waren oder das Verhalten lediglich in einem Unterlassen besteht.
 +
 
 +
Auch für das aktive und passive Fehlverhalten des Opfers ist der Vertaruensgrundsatz strittig.
 +
 
 +
 
 +
'''Risikoverringerung'''
 +
 
 +
Eine Risikoverringerung liegt vor, wenn der Täter eine Verletzung verursacht, um einen schwereren Erfolg zu vermeiden und dadurch keine eigenständige Gefahr geschaffen hat.
 +
 
 +
Es kommen Milderung und zeitliche Verzögerung in Frage. Anderes gilt bei der Setzung einer neuen Ursachenreihe oder der Setzung eines Risikos gleicher Intensität und Zeitpunktes auf anderem Wege oder der Unterbrechung eines rettenden Kausalverlaufes.
 +
 
 +
Beispiele sind der fallende Ziegelstein, welcher vom Kopf des Opfers auf die Schulter umgelenkt wird oder der Arzt, der eine neue Todesursache setzt um das Leben zu verlängern. Zurechenbar ist aber der verletzende Wurf eines Kindes aus dem Fenster eines brennenden Hauses.
 +
 
 +
 
 +
'''Freiverantwortliche Selbstschädigung/-gefährdung'''
 +
 
 +
Freiverantwortliche Selbstschädigung ist gegeben, wenn der Erfolg auf einer bewussten, eigenverantwortlich gewollten und verwirklichten Selbstgefährdung beruht.
 +
 
 +
Die Selbsttötung oder -schädigung ist nach gesetzgeberischer Wertungsentscheidung straflos. Dies muss konsequent auch für die Mittäterschaft gelten. Bestehen aber Zweifel an der Freiverantwortlichkeit des Selbstschädigenden so ist die Einwilligungsfähigkeit ein Kriterium.
 +
 
 +
Schwierig ist die Abgrenzung von Selbst- und Fremdschädigung. Kriterium ist die Tatherrschaft und ein überlegenes Sachwissen. (AIDS-Fälle; Dealer)
 +
 
 +
Beispiele sind der Dealer, welcher tödliche Dosis verkauft oder die tödliche Verweigerung der Bluttransfusion im Krankenhaus durch das Opfer einer Stichverletzung.
 +
 
 +
Zurechenbar ist allerdings die Verabreichung der tödlichen Dosis durch den Dealer auf Verlangen/mit Einwilligung oder die tödliche Rettungshandlung nach einer Brandstiftung.
 +
 
 +
 
 +
'''eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten'''
 +
 
 +
Die Verantwortung des Erstverursachers endet grundsätzlich dann, wenn ein Dritter vollverantwortlich eine neue selbstständige auf den Erfolg hinwirkende Gefahr begründet, die sich dann allein im Erfolg realisiert.
 +
 
 +
Allerdings wird die Zurechenbarkeit bejaht falls das Handeln des Dritten Sicherheitsvorschriften verletzt, welche gerade den Schutz vor Dritten dient oder das das Handeln des Drittem Ausgangsgefahr begründet.
 +
 
 +
Beispiel ist der Gnadenschuss eines Dritten auf das Opfer.
 +
 
 +
 
 +
'''atypischer Kausalverlauf'''
 +
 
 +
Der eingetretene Erfolg liegt außerhalb dessen, was nach allgemeiner Lebenserfahrung erwartet werden kann.
 +
 
 +
Schwierig ist die Abgrenzung des Vorhersehbaren und Unvorhersehbaren.  Grenzfälle sind der Tod des Verletzten durch einen Unfall des Krankenwagens oder eine Wundinfektion oder spezielle körperliche Merkamele wie die Bluterktankheit.
 +
 
 +
 
 +
'''Pflichtwidrigkeitszusammenhang'''
 +
 
 +
Der Erfolg muss seinen Grund in der Pflichtwidrigkeit haben, damit dieser objektiv zurechenbar ist.
 +
 
 +
Nach der Vermeidungstheorie schlägt sich das durch das pflichtwidrige Verhalten begründete Risiko dann nicht im Erfolg nieder, wenn dieser auch bei einem pflichtgemäßen Alternativverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre (In dubio pro reo).
 +
 
 +
Nach der Risikoerhöhungslehre genügt die bloße Erhöhung des Risikos über das erlaubte und sorgfaltsgemäße hinaus.
 +
 
 +
Beispiel der überschnelle Autofahrer, welcher einen Trunkenen tötet.
-
1. Roxin, Strafrecht AT/I, S. 372
 
[[category: Stichworte des Strafrechts]]
[[category: Stichworte des Strafrechts]]

Current revision as of 13:05, 5 November 2007

Definition

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg dann, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen und/oder erhöht hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.

Wird das Risiko nicht erhöht sondern lediglich in der Art modifiziert, dass es mit gleicher Intensität zur selben Zeit auf anderem Wege sich realisiert so ist Zurechung zu verneinen. Umstritten ist Verneinung der Zurechung in dem Falle wenn eine ganz neue Kausalkette von gleichem Risiko gesetzt wird.


Notwendigkeit und Probleme

Die Notwendigkeit eines Korrektivs der Kausalität ist unbetsritten. Allerdings wird die Lehre von der objektiven Zurechnung als Strudel und Krake kritisiert welche auf die Rechtswidrigkeit und die Schuld ausgreife. Des weiteren fehlt es an systematischer Begründung, was durch verwirrende Kasuistik kompensiert wird.

In den ersten drei Fallgruppen wird keine rechtlich relevenate Gefahr geschaffen.

In weiteren vier Fallgruppen hat sich die Gefahr nicht im Erfolg realisiert.


Schutzzweck der Norm

Nicht der bloße Verstoß gegen eine Norm, sondern lediglich die Schaffung einer Gefahr welche gegen den Schutzzweck der Norm verstöß ist objektiv zurechenbar.

Ein Beispiel ist der Fall drei lichtlose Fahradfahrer A,B und C. Es gibt einen Zusammenstoß zwischen A und B; B stirbt. Der Tod ist dem A zurechenbar da eine Schutznorm (Licht zur Eigensichtbarkeit und Eigensehen) verletzt ist. Dem C ist der Tod des B aber nicht zurechenbar auch wenn sein Licht den Unfall hätte verhindern können, da Schutzzweck der Norm nicht missachtet ist (Licht nicht für Vermeidung fremder Unfälle).


allgemeines Lebensrisiko & erlaubtes Risiko

Gefahr ist nur zurechenbar wenn sie das allgemeine Lebensrisiko und das erlaubte Risiko übersteigt. Erlaubt kann ein Risiko aufgrund seines sozialen Nutzens sein (Teilnahme am Straßenverkehr).

Beispiel dieser Fallgruppe ist die Zeugung eines Mörders oder Auftrag zu einem Flug, welcher verunglückt, was aber der AUftraggeber nicht beherrschen kann.

Die Bewertung des Risikos ist schwierig in Fällen, in welchen es möglich ist, dass durch ein Verhalten ein Anlass zu einer Straftat gegeben wird. Beispiel ist hier das Handeln eines Arztes, welcher fahrlässig einen Schrank mit giftigen Arznei nicht verschließt, was die Krankenschwester nutzt ein Mittel zu entwenden um ihren Liebhaber zu töten. Hier greift der Vertrauensgrundsatz. Es ist legitim, davon auszugehen, dass niemand eine Straftat begehen wolle. Anderes gilt falls Zeichen der Neigung zur Straftat sichtbar sind.

Problematisch ist die Zurechenbarkeit auch in Fälle nachträglichen pflichtwidrigen Verhaltens Dritter. Ein Beispiel ist der das Handeln eines Arztes, dem ein Kunstfehler unterläuft. Strittig ist ob hier der Vertrauensgrundsatz greifen kann. Wenn dies der Fall wäre, Ausnahmen gelten falls Anzeichen sichtbar waren oder das Verhalten lediglich in einem Unterlassen besteht.

Auch für das aktive und passive Fehlverhalten des Opfers ist der Vertaruensgrundsatz strittig.


Risikoverringerung

Eine Risikoverringerung liegt vor, wenn der Täter eine Verletzung verursacht, um einen schwereren Erfolg zu vermeiden und dadurch keine eigenständige Gefahr geschaffen hat.

Es kommen Milderung und zeitliche Verzögerung in Frage. Anderes gilt bei der Setzung einer neuen Ursachenreihe oder der Setzung eines Risikos gleicher Intensität und Zeitpunktes auf anderem Wege oder der Unterbrechung eines rettenden Kausalverlaufes.

Beispiele sind der fallende Ziegelstein, welcher vom Kopf des Opfers auf die Schulter umgelenkt wird oder der Arzt, der eine neue Todesursache setzt um das Leben zu verlängern. Zurechenbar ist aber der verletzende Wurf eines Kindes aus dem Fenster eines brennenden Hauses.


Freiverantwortliche Selbstschädigung/-gefährdung

Freiverantwortliche Selbstschädigung ist gegeben, wenn der Erfolg auf einer bewussten, eigenverantwortlich gewollten und verwirklichten Selbstgefährdung beruht.

Die Selbsttötung oder -schädigung ist nach gesetzgeberischer Wertungsentscheidung straflos. Dies muss konsequent auch für die Mittäterschaft gelten. Bestehen aber Zweifel an der Freiverantwortlichkeit des Selbstschädigenden so ist die Einwilligungsfähigkeit ein Kriterium.

Schwierig ist die Abgrenzung von Selbst- und Fremdschädigung. Kriterium ist die Tatherrschaft und ein überlegenes Sachwissen. (AIDS-Fälle; Dealer)

Beispiele sind der Dealer, welcher tödliche Dosis verkauft oder die tödliche Verweigerung der Bluttransfusion im Krankenhaus durch das Opfer einer Stichverletzung.

Zurechenbar ist allerdings die Verabreichung der tödlichen Dosis durch den Dealer auf Verlangen/mit Einwilligung oder die tödliche Rettungshandlung nach einer Brandstiftung.


eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten

Die Verantwortung des Erstverursachers endet grundsätzlich dann, wenn ein Dritter vollverantwortlich eine neue selbstständige auf den Erfolg hinwirkende Gefahr begründet, die sich dann allein im Erfolg realisiert.

Allerdings wird die Zurechenbarkeit bejaht falls das Handeln des Dritten Sicherheitsvorschriften verletzt, welche gerade den Schutz vor Dritten dient oder das das Handeln des Drittem Ausgangsgefahr begründet.

Beispiel ist der Gnadenschuss eines Dritten auf das Opfer.


atypischer Kausalverlauf

Der eingetretene Erfolg liegt außerhalb dessen, was nach allgemeiner Lebenserfahrung erwartet werden kann.

Schwierig ist die Abgrenzung des Vorhersehbaren und Unvorhersehbaren. Grenzfälle sind der Tod des Verletzten durch einen Unfall des Krankenwagens oder eine Wundinfektion oder spezielle körperliche Merkamele wie die Bluterktankheit.


Pflichtwidrigkeitszusammenhang

Der Erfolg muss seinen Grund in der Pflichtwidrigkeit haben, damit dieser objektiv zurechenbar ist.

Nach der Vermeidungstheorie schlägt sich das durch das pflichtwidrige Verhalten begründete Risiko dann nicht im Erfolg nieder, wenn dieser auch bei einem pflichtgemäßen Alternativverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre (In dubio pro reo).

Nach der Risikoerhöhungslehre genügt die bloße Erhöhung des Risikos über das erlaubte und sorgfaltsgemäße hinaus.

Beispiel der überschnelle Autofahrer, welcher einen Trunkenen tötet.

Personal tools