§ 240 StGB
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Das Reichsgericht legte den Gewaltbegriff zunächst eng aus. Später erfolgte eine Ausweitung des Gewaltbegriffs durch den BGH welcher seinen Höhepunkt in der Gleichstellung physischen und psychischen Zwangs nahm im sog. Laepple-Fall (BGHSt 23, 46). Bedenken zu dieser Auslegung finden sich in der Lehre. | Das Reichsgericht legte den Gewaltbegriff zunächst eng aus. Später erfolgte eine Ausweitung des Gewaltbegriffs durch den BGH welcher seinen Höhepunkt in der Gleichstellung physischen und psychischen Zwangs nahm im sog. Laepple-Fall (BGHSt 23, 46). Bedenken zu dieser Auslegung finden sich in der Lehre. | ||
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+ | Im Wortsinne ist Gewalt die unmittelbare physische Einwirkung des Täters auf das Handlungsobjekt. B hat nicht unmittelbar auf A oder seinen Wagen eingewirkt und somit im Wortsinne keine Gewalt ausgeübt. | ||
+ | Zu einem anderen Gewaltbegriff führt die systematische Auslegung. In den §§ 249, 252 und 255 wird Gewalt näher bestimmt als „Gewalt gegen eine Person“. Im Umkehrschluss ist Gewalt im Sinne des § 240 I also weiter gefasst. Das Reichsgericht lehnte dementsprechend eine Beschränkung des Gewaltbegriffs auf eine unmittelbare Körpereinwirkung ab. Stattdessen sollen „vielmehr alle Handlungen, die von der Person, gegen welche sie unmittelbar oder auch nur mittelbar gerichtet sind, als ein nicht nur seelischer, sondern körperlicher Zwang empfunden werden.“1 genügen. Handlung im Sinne dieser Definition bleibt eine physische Einwirkung. Diese muss jedoch nicht unmittelbar auf das Handlungsobjekt wirken. Es genügt eine mittelbare Kraftentfaltung, wenn diese nach ihrer Zielrichtung, Intensität und Wirkungsweise dazu bestimmt und geeignet ist als körperlicher Zwang empfunden zu werden.2 B blockierte die Parklücke durch bloße körperliche Anwesenheit. Zwar ist dies eine mittelbare Kraftentfaltung gegen A. Doch ist diese von so geringer Intensität, dass Gewalt im Sinne dieser Definition abzulehnen ist. | ||
+ | In teleologischer Auslegung des Sinns und Zwecks des § 240 I bestimmt sich als Schutzgut der Norm die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung.3 Mit dem Argument psychischer Zwang könne in demselben Maße wie physischer Zwang die Freiheit des Willens einschränken, weitete darum der BGH in Übereinstimmung mit Teilen der Lehre4 durch die sog. Laepple-Entscheidung5 den Gewaltbegriff aus, um auch geistig wirkenden Zwang zu erfassen. Wenn ein auch nur geringer körperlicher Kraftaufwand einen psychisch determinierten Prozess auslöst, welcher als ein starker Zwang wirkt, so liege Gewalt vor. Die Blockade der Parklücke sollte bei A eine Verletzungs- und Tötungshemmung, mithin psychischen Zwang, auslösen und ihn dadurch an der Einfahrt zu hindern. Die geringe Intensität der Kraftentfaltung ist unschädlich. Nach dieser Ansicht ist eine Gewaltausübung der B festzustellen. | ||
'''Drohung''' | '''Drohung''' | ||
Eine Drohung ist das auf Einschüchterung gerichtete Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, das der Drohende zu beeinflussen vorgibt. | Eine Drohung ist das auf Einschüchterung gerichtete Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, das der Drohende zu beeinflussen vorgibt. | ||
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+ | Verwerflich ist nach der Rechtssprechung eine Tat, welche in der Verknüpfung von Mittel und Zweck in erhöhtem Maße sittlich zu missbilligen ist.1 Die herrschende Lehre nimmt dahingegen die Sozialwidrigkeit der Tat zum Maßstab.2 Beide Kriterien aber lassen nach dem Grundsatz „minima non curat praetor“ Verwerflichkeit ausscheiden, wenn ein lediglich geringfügiger Zwang ausgeübt wird.3 Dieser Grundsatz der Geringfügigkeit kommt für den Tatbestand der Nötigung in besonderer Weise zum Tragen. Denn ihr Schutzgut, die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung, kann notwendigerweise nicht absolut geschützt werden. Die Existenz des Menschen als soziales Wesen, eingebettet in die menschliche Gemeinschaft, bedingt eine Vielzahl nicht sozialwidriger oder unsittlicher Zwänge. | ||
'''Schema''' | '''Schema''' |
Revision as of 14:11, 7 July 2007
Nötigung
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. eine andere Person zu einer sexuellen Handlung oder zur Eingehung der Ehe nötigt,
2. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
3. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.
Schutzgut
Schutzzweck der Norm ist die Freiheit der Willensbetätigung und Willensentschließung. Wenngleich Angriff und Drohung schwächer bestimmt sind als in §§ 249, 250, 255 StGB ist dennoch der Schutz nicht absolut. Da es legitime Schranken der Willensfreiheit gibt. Dementsprehend besagt die verfassungskonforme Auslegung, das Gewalt oder Drohung allein noch nicht die Rechtswidrigkeit indizieren sondern der Einzelfall iVm Absatz II beurteilt werden muss (BVerfG 73, 206; 76, 211; BGHSt 34, 71; 35, 270).
Gewalt
a) Definition
Gewalt ist hier als körperlich wirkender Zwang durch die Entfaltung von Kraft oder durch eine Einwirkung sonstiger Art, die nach ihrer Zielrichtung, Intensität und Wirkungsweise dazu bestimmt und geeignet ist, die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung eines anderen aufzuheben oder zu beeinträchtigen.
Nach RGSt 60, 157, 158 ist eine unmittelbare Einwirkung auf den Körper nicht notwendig.
b) Arten
- via absoluta
- via compulsiva
c) Beispiele Einsachließen, Schreckschüsse
Das Reichsgericht legte den Gewaltbegriff zunächst eng aus. Später erfolgte eine Ausweitung des Gewaltbegriffs durch den BGH welcher seinen Höhepunkt in der Gleichstellung physischen und psychischen Zwangs nahm im sog. Laepple-Fall (BGHSt 23, 46). Bedenken zu dieser Auslegung finden sich in der Lehre.
Im Wortsinne ist Gewalt die unmittelbare physische Einwirkung des Täters auf das Handlungsobjekt. B hat nicht unmittelbar auf A oder seinen Wagen eingewirkt und somit im Wortsinne keine Gewalt ausgeübt. Zu einem anderen Gewaltbegriff führt die systematische Auslegung. In den §§ 249, 252 und 255 wird Gewalt näher bestimmt als „Gewalt gegen eine Person“. Im Umkehrschluss ist Gewalt im Sinne des § 240 I also weiter gefasst. Das Reichsgericht lehnte dementsprechend eine Beschränkung des Gewaltbegriffs auf eine unmittelbare Körpereinwirkung ab. Stattdessen sollen „vielmehr alle Handlungen, die von der Person, gegen welche sie unmittelbar oder auch nur mittelbar gerichtet sind, als ein nicht nur seelischer, sondern körperlicher Zwang empfunden werden.“1 genügen. Handlung im Sinne dieser Definition bleibt eine physische Einwirkung. Diese muss jedoch nicht unmittelbar auf das Handlungsobjekt wirken. Es genügt eine mittelbare Kraftentfaltung, wenn diese nach ihrer Zielrichtung, Intensität und Wirkungsweise dazu bestimmt und geeignet ist als körperlicher Zwang empfunden zu werden.2 B blockierte die Parklücke durch bloße körperliche Anwesenheit. Zwar ist dies eine mittelbare Kraftentfaltung gegen A. Doch ist diese von so geringer Intensität, dass Gewalt im Sinne dieser Definition abzulehnen ist. In teleologischer Auslegung des Sinns und Zwecks des § 240 I bestimmt sich als Schutzgut der Norm die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung.3 Mit dem Argument psychischer Zwang könne in demselben Maße wie physischer Zwang die Freiheit des Willens einschränken, weitete darum der BGH in Übereinstimmung mit Teilen der Lehre4 durch die sog. Laepple-Entscheidung5 den Gewaltbegriff aus, um auch geistig wirkenden Zwang zu erfassen. Wenn ein auch nur geringer körperlicher Kraftaufwand einen psychisch determinierten Prozess auslöst, welcher als ein starker Zwang wirkt, so liege Gewalt vor. Die Blockade der Parklücke sollte bei A eine Verletzungs- und Tötungshemmung, mithin psychischen Zwang, auslösen und ihn dadurch an der Einfahrt zu hindern. Die geringe Intensität der Kraftentfaltung ist unschädlich. Nach dieser Ansicht ist eine Gewaltausübung der B festzustellen.
Drohung
Eine Drohung ist das auf Einschüchterung gerichtete Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, das der Drohende zu beeinflussen vorgibt.
Verwerflichkeit
Verwerflich ist nach der Rechtssprechung eine Tat, welche in der Verknüpfung von Mittel und Zweck in erhöhtem Maße sittlich zu missbilligen ist.1 Die herrschende Lehre nimmt dahingegen die Sozialwidrigkeit der Tat zum Maßstab.2 Beide Kriterien aber lassen nach dem Grundsatz „minima non curat praetor“ Verwerflichkeit ausscheiden, wenn ein lediglich geringfügiger Zwang ausgeübt wird.3 Dieser Grundsatz der Geringfügigkeit kommt für den Tatbestand der Nötigung in besonderer Weise zum Tragen. Denn ihr Schutzgut, die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung, kann notwendigerweise nicht absolut geschützt werden. Die Existenz des Menschen als soziales Wesen, eingebettet in die menschliche Gemeinschaft, bedingt eine Vielzahl nicht sozialwidriger oder unsittlicher Zwänge.
Schema
- Nötigungshandlung durch Gewalt oder Drohung
- Nötigungserfolg
- Verwerflichkeit