Caspolet
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Margine Amena Istria |
Caspolet ist eine Siedlung aus altbosparanischer Zeit. Wo einst eine ansehnliche Ortschaft über den Hügeln gethront haben muss, findet sich heutigentags jedoch nur noch ein kleines Nest entland eines Waldbächleins. Auf einige hundert Schritt Entfernung von der Siedlung, getrennt und gedeckt also durch mancherlei Baum und Strauch, befindet sich ein Rundtheater aus altbosparanischer Zeit überkommen. Gerüchte besagen immer wieder, es sei ein gleichsam magischer Anziehungspunkt für Sektierer, Schwurhandlungen von Adelskonspirationen und ähnlich praiosferne Handlungen.
Im Volk spricht man auch von "Caspietto". Die Bezeichnung "Caspolet" bzw. "Caspuleth" ist sprachgeschichtlich älter und kommt in offiziellen Zusammenhängen oder etwa im Gebrauch von Landkarten zur Anwendung.
Das Dörfchen lebt von der Waldbauernwirtschaft. Kleine Bauernhäuser und Schober reihen sich auf kurzer Strecke an einen Wasserlauf, bis der Parallelweg auf einen Gutshof trifft, der auch eine Herberge einschließt. In Zeiten der Gefahr ziehen sich die Bewohner hierhin zurück. Und die Zeiten sind gefährlich: Die umgebenden Belcramer Hügel mögen schon so manchem Deserteur der Kriegshaufen des Thronfolgekrieges Unterschlupf gegeben haben. Daher auch sagt man, dass es neuerdings wieder mehr Strauchdiebe in der Gegend geben soll.
Der Gutshof und die Herberge werden von Lurion Dartegast geführt, einem noch jungen Manne. Zur Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen verlor er seine Mutter, so dass er nun eigenständig den großen Haushalt aufrechterhalten muss. Der Reisende wird schnell merken, wie wenig die Wirtschaft unter seiner Kontrolle ist, auch wenn Zeichen der Bemühung niemand leugnen wird. Und so bleibt zu hoffen, dass eine Gruppe von tüchtigen Mannen - mit Glück und Zufall - vor Ort sein wird, falls ein weiteres Mal grobe Schelme und Buben die Gegend unsicher machen sollten. Der Herr Dartegast wird es ihnen zu danken wissen.
Contents |
Dorf
Gar schaurig war's ...
... als die versprengten Söldner durch das Holz brachen, dass bald das Wort umging, sie schonten nicht das Vieh noch die Menschen: So war es im 1029ten Götterlaufe im kalten Firunsmonde, als Brände durch das Reich schlugen und der Landmann praiosloser Buben sich zu wehren hatte. Die Bewohner von Caspolet hatten in den Gutshof sich geflohen, allwo eine bescheidene Hut sie gefunden haben würden. Und also saßen sie, die Gesichter erfüllt von Gram und stierer Angst, hinter dem Tor und an den Hofmauern, dass kein Schelm ein witzig Wort gewagt hätte.
Noch immer war die gute Frau Dartegast nicht heimgekehrt, und die Bewohner, als die Boronsdämmerung herabstieg, fürchteten das Schlimmste für sie. "Das war unklug gehandelt." sprach ein alter Freund. Ihr Sohn aber, der Lurion geheißen, versetzte: "Frau Rondra macht, dass die Menschen unter ihrem Gebote übler sind als die Schwarzröcke. Und wo ist die Herrschaft?" Alle schwiegen. Endlich sprach einer: "Ich habe nichts mehr gehört, seit sie im Urbetischen zum Schlagen gekommen sind." Und darauf Lurion ein weiteres Mal: "Ja, aber die Feigsten von ihnen, nicht die Fähigsten, die ziehen also plündernd durch unser Gefild."
Am folgenden Morgen, als nach durchwachter Nacht einige der Mutigen aus dem Gutshofe sich herausgewagt, da fand man die Frau Dartegast tot im Walde, nächst einem der anderen Gehöfte. Man hatte ihr die Schürze vom Leibe gerissen, sie wohl geschändet und zuletzt mit einer Pike gepfählt.
Eine Kräuterfrau
Melvera gelangte, ihren Tragekorb auf dem Rücken, an den Saum des Waldes und blickte, indem die Dämmerung sich heraufkündigte, auf das kleine Dörfchen Caspolet. Hinter ihr das alsbald dräuende Dunkel, vor ihr die letzten Sendboten des Praios, wie sie sich auf den Gehöften und am kalkweißenen Torturm des befestigten Gutshofes abbildeten, schnaufte sie augenblicks aus. Also aber stieg sie, gebeugt, seitlich des Pfades herab, daran die grünen Pappeln sich reihten und schwarze Abendschatten auf die anrainende Flur warfen.
Der Gutshof war befestigt, denn nur zu oft gingen Wilderer oder andere Buben um. So sehr gut erinnerte sich Melvera, wie angelegentlichst der Unruhen von Belhanka Kriegsvölker umherzogen, und da hatte es manch beengtes Herz im Dorfe gegeben.
Wie auch immer. So hatte Melvera ihren teuren Gemahl verloren. Und also hoffte sie so sehr auf die Herrschaft, dass sie fürder ihren Schutz üben und das Dorf unter ihrer Hut belassen haben würde. Oder gar der alte Principe erschiene hier, wie die Leute sprachen, dass er mit heiligem Furor die friedliebenden Stätten der Bauern beschützt und den feindlichen Lanzen seine Brust dargeboten haben würde aus Liebe zu der Frau Travia, die ihn dem Praioslichte einst geschenkt.
Melvera verfügte sich in ihr Bauernhaus, legte den Tragekorb ab und stand alsbald, eine Suppe rührend, an der Bettstatt ihres kranken Sohnes. Daraußen begann ein Nachtvogel zu schlagen, und der Blick aus dem Fensterverschlag fiel auf die schwärzlichen Wipfel der Belcramer Hügel.
Rundtheater
Nahe dem Walddorf Caspolet liegen die Ruinen eines altbosparanischen Theaters. Es gibt zu erkennen, dass der Ort zu alter Zeit weit größer gewesen sein muss als heutigentags. Die Reste uralter Säulen, deren Inschriften und Reliefs unter dem Moos hervorscheinen oder unter zerschlagenen Steinen geborgen werden können, geben Zeugnis von einer alten Herrlichkeits. Daneben heißt es, das alte Rundtheater sei ein Anziehungspunkt für Sektierer, deren Schwurhandlungen und ähnlich praiosferne Gegebenheiten. Was hinwieder gar niemand weiß, ist, dass die alten unterirdischen Anlagen des Rundtheaters, wo ehedem Raubtiere und Gerätschaften untergebracht gewesen sein mögen, nur zu einem Teil verschüttet sind. Oder gibt es doch Personen, die hiervon Kenntnis haben?
Weiterhin genannt sei ein wenig abseits des Theaters zu findender altbosparanischer Zwölfgötterstein. Praiologen und sonstige Forschern mögen ein Urteil entwickeln, inwieweit diese uralte Kultstätte bereits dem Silem-Horas-Edikt konform war und daher von den Zwölfgöttern sprechen lässt.
Weil es also sein musste ...
1028 BF: Wir kennen sie, die stillen Talgründe in den Malurischen Wäldern, wenn längst der milde Herbst auf das Blattwerk herabgestiegen ist. Die morgendlichen Nebelfäden sind entschwunden, und wo der Wanderer zwischen den Hügelsäumen seinen Schritt setzt, da schweigt ringsherum der Wald, schwer und weich wie ein morsches Gehölz. Flüchtig raschelt der Grund, ein Duft schweren Moders steigt empor, und das Auge, gegen den entlaubten Wald gewandt, bricht weit zwischen den schwärzlichen und den blassen Baumstämmen hindurch. Dem Blick, kaum ein Hindernis stellt sich ihm entgegen, bis nicht der Waldesgrund mit Macht gegen einen Hügel emporsteigt oder dort sich ein trauriges Tannicht wie ein bedrohlicher Hort finster vor dem Auge sperrt. Das sind die Malurischen Wälder.
So war es auch an jenem Sancta-Noionas-Tag des 1028ten Jahres post Bosparaniam destructam [d.i. der 30. Boron 1028 BF], als man sich, in der Hand den Degen, zu Caspolet in altbosparanischer Tugend zu üben anschickte. Duellforderungen waren ergangen, herzklopfend der Notdurft der Frau Rondra zu gehorchen, und die heilige Drangsal gekränkter Gemüter hieß den Degen aus der Scheide ziehen. So war es an jenem Sancta-Noionas-Tag, und der Sinn, wo er sich auch hinwandte, er traf allein auf die Begriffe aristokratischer Notwendigkeiten. Der Signor Reon Phalaxan Torrem von Toricum, nachdem man seinen Sohn vor dem Cron-Convent gedemütigt [Efferd 1028 BF, vgl. BB#27, S. 25], hatte zu freiem Rondrendienst gefordert, und tatsächlich kam es zu tauglichen Erwiderungen. So war da zunächst der junge Signor Amando von Streitebeck, welcher ob seiner exponierten Rolle bei erfolgter Offension frisch zu Waffen stehen wollte. In einem Wort: Notwendigkeit. - Und hätte, ach, der Signor Tarquinio von Veliris-Marvinko nicht gar so forsch den Toricumer eine „volle Sau“ geheißen, eine weitere Notwendigkeit wäre erspart geblieben.
Die Kutsche schaukelte und quälte sich durch die Geleise des Karrenweges und passierte, indem sich die festen Räder gleichsam unwiderstehlich und mit wüster Last durch ein Schlagloch hindurchmalmten, in langsamem Lauf vor dem Auge des Betrachters. Die Zugpferde, vier Rappen, schnaubten mit warmem Atem unter dem rhythmischen Anschlagen der Siele, noch erkannte man die altgrangorische Tracht der Kutscherin, und schon wurde ein Wappen erkennbar, welches zog der Verschlag vorbei, darauf ein gelb-rotes Wappen zu erkennen war: Haus Streitebeck.
Dass niemand dies glauben würde ...
... dachte der redliche Hirte. Zur Nacht noch war er durch den Wald gelaufen, weil eine Ziege entlaufen war. Sie musste, als er sie nach der täglichen Drift heimführen wollte, aus der bescheidenen Herde ausgebrochen sein. Und also hatte der Hirte, bald hier und bald dort horchend, durch den dunklen Wald streifen müssen. Am Ende fand er sich vor dem alten Theaterrund wieder, dass aus den Tagen des alten Bosparan überkommen war und auf einige hundert Schritt abseits von Weg und Dorf zwischen uralten Bäumen lag. Dann hatte er etwas gehört, und indem er selbst stille schwieg, erklomm er einige alte Steine. Da blickte er in das Theaterrund herab.
Im Fackelschein stand eine kleine Gruppe von recht edel gewandeten Menschen inmitten der alten Ruine. Und ein Mann, der wohl von Praios sein musste, ließ sich von ihnen umsäumen und machte einige Worte: "Bei Khadan spreche ich zu Euch und bei den Himmlischen. Et enim dixerat Horas: ..." Und dann reichte er einen kleinen Gral herum, aus dem die Herrschaften nippten. Am Ende aber zogen sie die Klingen blank - der arme Hirte, der zuckte zusammen - vereinten sie und riefen: "Bei Khadan! Gut und Blut der Sache des Herrn Praios!" Dann gab es ein Schweigen. Endlich nun beugte jeder das Haupt, und der Praiosmann strich einem jedem von ihnen mit der Hand über die Stirne, indes er mit dem anderen Arm sein Zepter emporhielt.
"Weh, wenn man mich sieht." dachte der Hirte. Und dann lief er davon. Das würde ihm niemand geglaubt haben ...
Was sich da noch findet...
Zwölfgötterstein
Ein Zwölfgötterstein, der gesichertermaßen Bezug auf Praios nimmt, findet sich etwas abseits des Theaters. Ob er bereits dem Silem-Horas-Edikt Rechnung trägt und die Zwölfe ordnungsgemäß verzeichnet, muss jedoch dem Urteil von Praiologen überlassen sein. Gesichert ist allein, dass die Zeichen von zwölf Göttern auf einer Altarplatte in den Stein gegraben sind. Daneben gibt es an der Frontseite ein Relief.
Das Relief bildet einen Heros ab, der, in der Hand ein Flammenschwert, drei Kriegerinnen anleitet. Ferner ist eine Umschrift in bosparanischer Sprache zu lesen. Und die heißt:
"Praios princeps Deus filium mandavit divinum, ne alii motu proprio vigerent principes."
D.i.: "Der Götterfürst Praios sandte seinen göttlichen Sohn, damit andere nicht aus eigener Bewegung heraus als Fürsten Kraft haben mögen."
Rondrastatue
Eine Rondrastatue liegt neben ihrem alten Sockel - auf der folgenden Abbildung wird sie aufgestellt gezeigt - unweit des Hauptportals der alten Theateranlage. Die Göttin hat ehedem in ihrer rechten Hand vermutlich ein Schwert getragen, auch wenn die steinerne Klinge nicht mehr zu finden ist. Gut erhalten hingegen ist noch ihr Schild zur Linken, darauf ein umflammtes Leuenhaupt abgebildet ist.
Der alte Sockel der Statue trägt die Inschrift: "Beluae extra legem divinam."
D.i.: "Die Bestien stehen außerhalb des göttlichen Gesetzes."