Mangelnde Civilcourage

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Mangelnde Civilcourage ist hier und dort anzutreffen. Das ureigentliche Selbstverständliche des Bürgersinns (civitas), wird zum Fremdartigen unserer Tage. Nichts ist deshalb wunderlicher, dass die Forderung nach Civilcourage immer lauter wird. Die Kirche einerseits, die Bildungspolitik anderseits sehen in ihr einen Schlüssel zum gesunden Miteinander in der Gesellschaft, aber da, wo die nüchterne Erkenntnis, das sie nämlich fehlt, kommt, da bleibt die Frage nach ihrem Comeback nicht fern. Also kommt unweigerlich die Frage auf uns zu, wie man der Civilcourage zu ihrem Recht verhelfe. Allem Anschein nach sind sich die Pädagogen in dieser Frage ausnahmsweise einig. Civilcourage könne man einfach lernen, wobei die gewaltige Lösung in der Stärkung des Selbstbewusstseins liege. Aus der Beobachtung heraus, dass viele Menschen davor zurückschrecken, gegen den Strom zu schwimmen, schlossen die Pädagogen, dass die Angst der Menschen, aus der bestehenden Gruppe der Schweigenden und Mitläufer herauszufallen, nur durch mangelndes Selbstwertgefühl hervorgerufen werde. Das muss aber als Vereinfachung erkannt werden, denn echte und ungeheuchelte Civilcourage kann nur aus einer Selbstrücknahme für das Gegenüber erwachsen. Es gibt eine Civilcourage, die aus dem Selbstbewusstsein heraus nonkonform auftritt, humanistisch ehrenwert ist, und doch geheuchelte Selbstverwirklichung bleiben muss. Diese Civilcourage funktioniert meist und versagt gerade dann, wenn es allzu ernst wird, denn die Abwägung wird in Hinblick auf die schwerwiegenden Folgen häufig zu Gunsten der Anpassung entschieden. Sie allein ist ein Mittel zur Selbstverwirklichung. Echte Civilcourage hingegen muss sich zurücknehmen können für den anderen. Hier wird sie zum Selbstzweck und kann nur aus der freien Verantwortlichkeit erwachsen, wo sich diese mit der Unterordnung verbindet. Diese Unterordnung gilt dem anderen und gewinnt aus diesem Grunde den Mut, auch gegen den Strom zu schwimmen. Die wahre Civilcourage zeichnet sich durch eine „verantwortliche“ Unterordnung aus. Junge Menschen sollten gerade deshalb früher in die Verantwortlichkeit gestellt werden, um fähig zur Civilcourage zu werden, nicht aber auf einem Wege der einseitigen Ich-Bewahrung. Civilcourage ist daher letzten Endes nichts Erlernbares - sondern eine Lebenseinstellung.

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