Der Wahrheitsbegriff der Postmoderne
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* '''Ethischer Theismus''' ist einfach eine Wortschöpfung, die den Glauben bezeichnet, dass Recht und Unrecht absolut und unveränderlich sind und dass sie von Gott bestimmt (und dem Menschen mitgeteilt) worden sind. Diese Sicht von Wahrheit und Moral bildete bis heute die Grundlage von einem Großteil der westlichen Zivilisation, wie in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ausgedrückt: "Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass ihnen gewisse unveräußerliche Rechte von ihrem Schöpfer verliehen wurden, darunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glück" (Hervorhebungen zugefügt). Was David H. Wells über die Propheten des Alten Testaments und die Apostel des Neuen Testaments schrieb, galt jahrhundertelang im Denken und in der Kultur des Abendlandes: Sie hatten eine Gewissheit über die Existenz, den Charakter und die Ratschlüsse Gottes – eine Gewissheit über seine Wahrheit –, die in dem hellen Licht der modernen Welt verschwunden zu sein scheint. Sie waren überzeugt von der Wahrheit von Gottes Offenbarung, deren Vermittler und Verwalter sie waren. Wahrheit in einem absoluten Sinne. Wahrheit nicht nur für sie, Wahrheit nicht nur in ihrer Zeit und keine nur relative Wahrheit! Was Gott gegeben hatte, war universal, absolut und bleibend wahr! "So war es eben", wie Walter Cronkite sagt, das war die Art und Weise, wie die Menschen dachten und die abendländische Kultur spiegelte das wider. Doch heute ist das nicht mehr so. Modernismus ist die Sichtweise, die den ethischen Theismus allmählich in den Schatten stellte. Er begann etwa mit der Epoche der Renaissance (ca. 1300–1600) und setzte sich drei weitere wirkungsvolle Epochen und Strömungen lang fort: | * '''Ethischer Theismus''' ist einfach eine Wortschöpfung, die den Glauben bezeichnet, dass Recht und Unrecht absolut und unveränderlich sind und dass sie von Gott bestimmt (und dem Menschen mitgeteilt) worden sind. Diese Sicht von Wahrheit und Moral bildete bis heute die Grundlage von einem Großteil der westlichen Zivilisation, wie in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ausgedrückt: "Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass ihnen gewisse unveräußerliche Rechte von ihrem Schöpfer verliehen wurden, darunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glück" (Hervorhebungen zugefügt). Was David H. Wells über die Propheten des Alten Testaments und die Apostel des Neuen Testaments schrieb, galt jahrhundertelang im Denken und in der Kultur des Abendlandes: Sie hatten eine Gewissheit über die Existenz, den Charakter und die Ratschlüsse Gottes – eine Gewissheit über seine Wahrheit –, die in dem hellen Licht der modernen Welt verschwunden zu sein scheint. Sie waren überzeugt von der Wahrheit von Gottes Offenbarung, deren Vermittler und Verwalter sie waren. Wahrheit in einem absoluten Sinne. Wahrheit nicht nur für sie, Wahrheit nicht nur in ihrer Zeit und keine nur relative Wahrheit! Was Gott gegeben hatte, war universal, absolut und bleibend wahr! "So war es eben", wie Walter Cronkite sagt, das war die Art und Weise, wie die Menschen dachten und die abendländische Kultur spiegelte das wider. Doch heute ist das nicht mehr so. Modernismus ist die Sichtweise, die den ethischen Theismus allmählich in den Schatten stellte. Er begann etwa mit der Epoche der Renaissance (ca. 1300–1600) und setzte sich drei weitere wirkungsvolle Epochen und Strömungen lang fort: |
Current revision as of 14:47, 10 April 2006
[edit] Der Wahrheitsbegriff im Wandel der Zeiten
Der Postmodernismus geht mit dem allgemeinen Verschwinden des ethischen Theismus in unserer Kultur einher.
[Anmerkung: Der Begriff "Postmodernismus" existiert im eigentlichen Sinne nicht. Da die Bezeichnung "Postmoderne" überwiegend die historische Epoche meint und weniger die dazugehörige äquivalente Sozialtheorie, lehnt man sich dem engl. "Postmodernism" mit dem dt. Postmodernismus an.]
- Ethischer Theismus ist einfach eine Wortschöpfung, die den Glauben bezeichnet, dass Recht und Unrecht absolut und unveränderlich sind und dass sie von Gott bestimmt (und dem Menschen mitgeteilt) worden sind. Diese Sicht von Wahrheit und Moral bildete bis heute die Grundlage von einem Großteil der westlichen Zivilisation, wie in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ausgedrückt: "Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass ihnen gewisse unveräußerliche Rechte von ihrem Schöpfer verliehen wurden, darunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glück" (Hervorhebungen zugefügt). Was David H. Wells über die Propheten des Alten Testaments und die Apostel des Neuen Testaments schrieb, galt jahrhundertelang im Denken und in der Kultur des Abendlandes: Sie hatten eine Gewissheit über die Existenz, den Charakter und die Ratschlüsse Gottes – eine Gewissheit über seine Wahrheit –, die in dem hellen Licht der modernen Welt verschwunden zu sein scheint. Sie waren überzeugt von der Wahrheit von Gottes Offenbarung, deren Vermittler und Verwalter sie waren. Wahrheit in einem absoluten Sinne. Wahrheit nicht nur für sie, Wahrheit nicht nur in ihrer Zeit und keine nur relative Wahrheit! Was Gott gegeben hatte, war universal, absolut und bleibend wahr! "So war es eben", wie Walter Cronkite sagt, das war die Art und Weise, wie die Menschen dachten und die abendländische Kultur spiegelte das wider. Doch heute ist das nicht mehr so. Modernismus ist die Sichtweise, die den ethischen Theismus allmählich in den Schatten stellte. Er begann etwa mit der Epoche der Renaissance (ca. 1300–1600) und setzte sich drei weitere wirkungsvolle Epochen und Strömungen lang fort:
- Das Zeitalter der Renaissance begann in Italien nach 1300, verbreitete sich im Laufe der nächsten zwei Jahrhunderte in Europa und dauerte bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Die Renaissance war von großen Schritten in Literatur, Gelehrsamkeit, Kunst und Architektur gekennzeichnet; sie markierte außerdem eine bedeutsame Verschiebung im menschlichen Denken. Im Gegensatz zum Mittelalter (als die Hauptthemen von Kunst, Literatur und Philosophie der Verherrlichung Gottes dienten), erhoben die Künstler und Denker der Renaissance den Menschen und seine Fähigkeiten. Diese Verschiebung ließ die Lehre des so genannten Humanismus entstehen, welche die menschliche Würde und Fähigkeit betonte und den Menschen als Mittelpunkt aller Dinge betrachtete, als Meister seines Schicksals, als Kapitän seiner Seele – eine Sichtweise, die schließlich zu einer unbiblischen Sicht des Menschen und seiner Beziehung zu seinem Schöpfer führte. Als diese Denkweise allmählich Fuß fasste, begann die Abhängigkeit des Menschen von Gott als Quelle der Wahrheit und Moral fortan abzuflauen.
- Die Aufklärung, oder das Zeitalter der Vernunft, begann nach 1600 und dauerte bis zum Ende des folgenden Jahrhunderts. Während das Denken der Renaissance Gott noch anerkannte, behaupteten viele Denker der Aufklärung (wie Voltaire und Descartes), wenn es einen Gott gäbe, der die Welt erschaffen hat, dann habe er jetzt keinen Kontakt mehr zu ihr – was bedeutete, die Menschen seien bei der Suche nach Wahrheit auf sich selbst gestellt und könnten keine Hilfe von Gott erwarten. Die Maßstäbe für Recht und Unrecht basierten nicht auf dem Wesen und Charakter Gottes, sondern wären Produkt des menschlichen Denkens.
- Die Industrielle Revolution überschneidet sich zum großen Teil mit der Zeit der Aufklärung. Sie erstreckt sich vom 18. bis zum Ende des 19. Jahrhundert. Sie war eine Zeit der explosionsartigen Steigerung menschlicher Produktivität und des Fortschritts. Die Erfindungen, Neuheiten und Verbesserungen des Industriellen Zeitalters heizten mehr als nur die Fabriköfen; sie schürten das Feuer des menschlichen Selbstvertrauens. Der Fortschritt, den die Leute um sich herum sahen, ermutigte sie, von sich selbst Hoffnung und Führung zu erwarten. Der Mensch sah keine Notwendigkeit mehr, aufwärts (auf Gott) zu blicken; er braucht nur nach innen (auf sich selbst) zu blicken.
- Darwinismus. Die Schornsteine der Industriellen Revolution rauchten immer noch heiß, als die Theorien Charles Darwins, eines ehemaligen Theologiestudenten, den Erdrutsch der Werte und Moral vollendeten, der mit der Renaissance begonnen hatte. Darwins Theorien boten eine Alternative zu einem theistischen Verständnis der Schöpfung; Gott war nicht mehr »nötig«, um die Entstehung der Welt – und des Menschen – zu verstehen. Diese Verschiebung im Denken schaffte es, die Menschen davon zu überzeugen, dass nicht Gott, sondern sie selbst die Richter der Wahrheit und Moral waren. Menschliche Leistungen hatten den Menschen arrogant und selbstsicher gemacht im Vertrauen auf seine eigenen Fähigkeiten, Gutes zu schaffen und Böses zu richten. Sie schufen eine Denkweise, Modernismus genannt, welche die Welt durch die Augen der Wissenschaft sah. Modernisten setzten ihr Vertrauen "auf Vernunft (die Fähigkeit der Menschen, ihre eigene Welt zu verstehen), Empirismus (den Glauben, dass Erkenntnis nur durch unsere Sinne gewonnen werden kann) und auf die Anwendung von Vernunft und Empirismus durch Wissenschaft und Technik". In den Augen der Modernisten war jede Wahrheit, die nicht beobachtet und erfahren werden konnte – z. B. spirituelle oder moralische Wahrheit – relativ (d.h. von Mensch zu Mensch verschieden).
- Postmodernismus. "Zwischen 1960 und 1990", schreibt Stanley J. Grenz, "trat Postmodernismus als kulturelles Phänomen auf", in vieler Hinsicht vom Kommen des Informationszeitalters angespornt. Grenz behauptet, so wie die Fabrik das Symbol des industriellen Zeitalters war, das den Modernismus produzierte, so ist der Computer das Symbol des Informationszeitalters, das parallel verläuft zur Ausbreitung des Postmodernismus. Postmodernismus ist komplex und seine einzelnen Lehrpunkte sind bisweilen widersprüchlich. Doch kann eine schnelle Übersicht des postmodernen Glaubens folgendermaßen aussehen:
- Es gibt keine Wahrheit in irgendeinem objektiven Sinne.
- Anstatt die Wahrheit in einer "Metaerzählung" zu "entdecken" – d. h. einer Geschichte (wie die Bibel) oder Ideologie (wie der Marxismus), die eine vereinheitlichte Sichtweise auf Philosophie, Religion, Kunst und Wissenschaft bieten – ist der Postmodernismus von "Unglaube gegenüber Metaerzählungen" gekennzeichnet. Anders gesagt: Postmodernismus lehnt die Vorstellung ab, dass es "die eine große Geschichte" gibt, die eine individuelle, ortsbezogene Geschichte berichtet oder irgendeine universale Wahrheit darlegt, anhand der jede einzelne "Wahrheit" zu beurteilen ist.
- Wahrheit – sei es in Wissenschaft, Bildung oder Religion – wird von einer speziellen Kultur oder Gesellschaft geschaffen und ist nur in diesem und für diesen Kulturkreis "wahr".
- Einzelne Personen sind Produkte ihrer Kultur; Individualität ist eine Illusion; Identität wird aus kulturellen Quellen konstruiert.
- Jegliches Denken ist ein "soziales System". Das heißt, was wir als »Wahrheiten« betrachten, sind einfach willkürliche "Glaubensauffassungen, auf deren Annahme wir von unserer Gesellschaft konditioniert worden sind, ebenso wie andere auf die Annahme einer völlig anderen Reihe von Glaubensauffassungen konditioniert worden sind".
- Da Menschen Sprache gebrauchen müssen, um zu denken oder zu kommunizieren und Worte willkürliche Bezeichnungen für Dinge und Ideen sind, gibt es keine Möglichkeit, "die Ideen, Tatsachen oder Wahrheiten, die eine Sprache übermittelt, zu bewerten oder zu kritisieren".
- Jedes System oder jede Aussage, die behauptet, objektiv wahr zu sein oder die die Werte, Glaubensauffassungen, Lebensweisen und Wahrheitsansprüche einer anderen Kultur nachteilig beurteilt, ist ein Machtspiel, ein Versuch einer Kultur, über andere Kulturen zu herrschen.
Josh McDowell/ Bob Hostetler: Die neue Toleranz; Christliche Literatur Verbreitung CLV Bielefeld ; 1. Auflage 1999; S. 34-39.