§ 242 StGB

From Ius

Diebstahl

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.



Tatobjekt

Sachen im strafrechtlichen Sinne sind alle körperlichen Gegenstände ohne Rücksicht auf ihren wirtschaftlichen Wert.

Strom, Menschen, Leichen und Herzschrittmacher sind keine Sachen.

Beweglich sind alle Sachen die fortgeschaftt werden können. (Also auch Gras auf der Weide im Gegensatz zu § 93 BGB.)

Fremd ist eine Sache, wenn sie im Allein-, Mit- oder Gesamthandseigentum eines anderen steht. Herrenlose Sachen (§ 958 BGB) sind nicht fremd. Der Eigentumsbegriff des Strafrechts entspricht dem des Zivilrechts. Bei Erbfällen tritt zunächst gesamthänderischer Erbeneigentum ein.

Hier empfiehlt sich die chronologische Subsumtion. (Zunächst gehörte die Sache X ...)


Wegnahme

Wegnahme als Tathandlung des § 242 StGB ist der Bruch fremden Allein- oder Mitgewahrsams und die Begründung neuen, nicht notwendig eigenen Gewahrsams gegen den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers. Bruch und Begründung kann zeitlich divergieren.


Gewahrsam

Nach dem herrschenden faktischen Gewahrsamsbegriff ist Gewahrsam die tatsächliche Sachherrschaft eines Menschen über eine Sache, die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen und deren Reichweite von der Verkehrsauffaussung (lediglich ein Korrektiv) bestimmt wird.

Nach dem sozial-normativen Gewahrsamsbegriff ist Gewahrsam die Zuordnung der Sache zur Herrschaft einer Person als eine sozial-normative gesicherte Übereinkunft.

Der Streitpunkt beider Ansichten liegt in der im sog. gelockerten Gewahrsam (verlassene Wohung, geparktes Auto...). Beide Meinungen kommen zu dem Ergebnis, dass Haus, Wohnung, Fabrik, Geschäft, Taschen der Kleidung (Gewahrsamsenklave !), geparkte Autos und herumlaufende Tiere im Gewahrsam idR des Eigentümers stehen.

Ein weiterer Streitpukt ist der beobachtete Diebstahl.


Gewahrsamswille

Gewahrsam hat eine subjektive Komponente. An diese sind jedoch geringe Anforderungen zu stellen. Sie bedarf keiner Geschäftsfähigkeit, keines Spezialwissens und keinem aktualisiertem Gewahrsamsbewusstsein. Es genügt ein genereller oder potentieller Herrschaftswille. Der Gewahrsamswille kann konkludent geäußert werden, allerdings nur durch natürliche Personen. Der Inhaber eines räumlich umgrenzten Herrschaftsbereichs hat Gewahrsam, auch ohne ein Wissen um die Sache. (Brief im Briefkasten, Warenpaket vor Laden...)


Eigentum, Besitz und Gewahrsam

Eigentum ist die Sachherschaft rechtlicher Art, welche in einem Höchstmaße geschützt ist.

Gewahrsam ist die Sachherschaft tatsächlicher Art.

Strafrechtlicher Gewahrsam und zivilrechtlicher Besitz unterscheiden sich. Beispielsweise ist der mittelbare Besitz eines Vermieters kein Gewahrsam, der Gewahrsam eines Besitzdieners (§ 855 BGB) jedoch kein Besitz. Auch ist ein Besitzdiener denkbar, welcher keinen Gewahrsam innehat, da er als bloßer Gewahrsamsgehilfe keinen Herrschaftswillen im normativen (?) Sinne aufweist.


Mitgewahrsam

Es gibt ein gleich-/höher-/ und niederrangiges Mitgewahrsam. Nur höherrangiges Gewahrsam kann durch Wegnahme gebrochen werden.


geschlossene Behältnisse

Ein Verwahrer/Rauminhaber hat Gewahrsam an einem geschlossenem Behältnis. Ein anderer aber Gewahrsam an dem Schlüssel. Wer hat Gewahrsam am Inhalt des Behältnisses?

Der faktische Gewahrsamsbegriff differenziert hier nach Größe, Gewicht und Verankerung des Behältnisses. Tresor- und Schließfächerinhalte stehen im Gewahrsam des Verwahrers, Koffer und Schmuckkästchen stehen im Gewahrsam des Schlüsselinhabers.


Gewahrsamsverlust

Der Gewahrsamsinhaber kann die Sachherrschaft aufgeben oder verlieren.

Die Sache kann außerhalb eines räumlich umgrenzten Herrschaftsbereiches verloren gehen. In diesem Falle ist sie zwar nicht herren- aber gewahrsamslos. (§ 959 BGB)

Die Sache kann innerhalb einer fremden Gewahrsamsspähre verloren gehen. In diesem Falle erlangt der Herrscher der Gewahrsamssphäre Gewahrsam.

Die Sache kann lediglich vergessen werden, der Ort des Verlustes ist also bekannt. Für den faktischen Gewahrsamsbegriff ist es hier noch relevant ob dem Besitzer wesentliche Hürden zu Widererlangung entgegenstehen.


Gewahrsamsbegründung

Nach dem faktischen Gewahrsamsbegriff wird Gewahrsam begründet, wenn der Täter die tatsächliche Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass ihrer Ausübung keine wesentlichen Hindernisse entgegenstehen.

Nach dem sozial-normativen Gewahrsamsbegriff wird Gewahrsam begründet, wenn der bisherige Gewahrsamsinhaber auf die Sache nicht mehr einwirken kann, ohne zuvor die Verfügungsgewalt des Täters zu beseitigen.

Es ist nach beiden Ansichten zur Gewahrsamsbegründung kein Fortschaffen nötig. Bei schweren Gegenständen genügt kein Ergreifen oder Verstecken, wohl aber bei leichten.


Vollendung und Beendigung des Diebstahls

Tatbestandliche Vollendung geschieht durch erfolgreiche Wegnahme in Zueigungsabsicht.

Tatsächliche Beendigung des Diebstahls verlangt eine gewisse Festigung und Sicherheit des neuen Gewahrsams.


Abgrenzung zur Unterschlagung


Zueignungsabsicht

Die Zueigung ist ein objektiver Vorgang, der lediglich subjektiv vorliegen muss. Sichzueignen bedeutet die Anmaßung einer eigentumsähnlichen Verfügungsgewalt zu eigenen Zwecken durch die Betätigung des Willens, die fremde Sache oder den in der Sache verkörperten Sachwert - wenn auch nur vorübergehend - dem eigenem Vermögen einzuverleiben, insbesondere für eigene Rechnung darüber zu Verfügen (Aneignung) und sich unter endgültiger Ausschließung des Eigentümers ganz oder teilweise wirtschaftlichz an dessen Stelle zu stellen (Enteigung).

Substanz- und Sachwertstheorie sind ein pot. Problemschwerpunkt.

Die Sache oder auch nur der in ihr verkörperte Sachwert können mit Ausschlusswirkung für den Eigentümer in das eigene Vermögen einverleibt werden.

Die Aneignung ist abzugrenzen von der Sachbeschädigung, der Sachentziehung und der eigenmächtige Verletzung zu Gunsten des Sacheifgentümers. Es muss die Absicht der Zueignung vorliegen.

Die Enteigung ist von der bloß vorübergehenden Gebrauchsanmaßung mit Rückgabewillen zu unterscheiden. Es genügt der Vorsatz der Enteignung.

Das absichtlose-dolose Werkzeug wird hier im Zusammenhang mit Täterschaft und Teilnahme relevant.


Rechtswidrigkeit der Zueigung

Ein fälliger und einredefreier Anspruch auch eines Dritten auf Übereigung kann die Zueigung rechtfertigen. Dennoch ist die Zueigung ein unerlaubtes Mittel und erfüllt möglicherweise den Tatbestand der Nötigung. Die Wegnahme allerdings kann rechtswidrig bleiben auch wenn diese vermutlich keinem Straftatbestand entspricht.

Besteht Anspruch auf eine Gattungsschuld, so ist die Verletzung des Auswahlrechts des Schuldners rechtswidrig. Evtl. kann man hier die mutmaßliche Einwilligung anwenden.

Die Rechtssprechung stellt die Geldschuld der Gattungsschuld gleich. Die Lehre lehnt dies mit der Begründung ab, es fehle idR an einer materiellen Interessenverletzung.

Bei vertretbaren Sachen kann evtl die mutmaßliche Einwilligung als Rechtfertigung greifen.


Vorsatz der Rechtswidrigkeit der Zueignung


Schema

  • fremde bewegliche Sache
  • Wegnahme (willensfeindlicher Bruch alten und Begründung neuen Gewahrsams)
  • Vorsatz
  • Zueignungsabsicht (Enteigungsvorsatz und Aneigungsabsicht)
  • Rechtswidrigkeit der Zueigung
  • Vorsatz bezüglich der Rechtswidrigkeit der Zueigung


Probleme

a) Diebstahl unter Beobachtung

Fraglich ist, ob ein Gewahrsamswechsel erfolgt.

Nach Ansicht der sozial-normativen Theorie hat jemand, der Ware unter Beobachtugn eines Eingriffswilligen in seiner Körpersphäre verbirgt eine vollendete Wegnahme begangen.

Erstens bleibt die Tabuzone des Körpers, die stärktste denkbare Sachherrschaft, auch in Herrschaftssphären eines Dritten bestehen.

Zweitens ist Diebstahl kein heimliches Delikt.

Drittens verhindern Beobachtung, Rückgabebereitschaft oder Möglichkeit der Erzwingung der Rückgabe nicht die Wegnahme, sondern eröffnen dem Bestohlenen nur dir rechtlich abgesicherte Chance, den verlorenen Gewahrsam zurückzuerlangen.


Nach der faktischen Theorie liegt lediglich versuchte Wegnahme vor, wenn der Berechtigte sofort mit Erfolg einschreiten kann.

Erstens missachtet die Orientierungen an sozial-normativen Aspekten die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse.

Zweites ist der beobachtete und frisch ertappte Dieb idR zur sofortigen Herausgabe bereit, was zeigt, dass der Einwirkung auf die Sache noch Hindernisse entgegenstehen.

Drittens ist die Rechtsgutverletzung in den vorliegenden Fällen nicht eingetreten.

b) Sachwert und Substanz

Exemplarisch ist der Fall eines gestohlenen und entwertet zurückgegebenen Sparbuchs.

Fraglich ist ob Zueignungsabsicht bezüglich des Sparbuchs besteht.

Die erweiterte Substanztheorie stellt fest: Zueignungsabsicht hat, wer sich oder einem Dritten unter Anmaßung der dem Eigentümer zustehenden Herrschaftsbefugnissen die der Sache objetktiv innewohnenden Verwendungsmöglichkeiten zuführen will.

Erstens wird zugestanden, dass die reine Substanztheorie zu eng ist.

Zweitens kann mit der neuen Formel auch die durch die reine Substanztheorie nicht zu bewältigenden Probleme gelöst werden.

Drittens kann nur durch diese Theorie eine Abgrenzung von Zueignung und bloßer Gebrauchsanmaßung aus dem Zueignungsbegriff selber gezogen werden.

Viertens ist jede Erweiterung des Diebstahlsbegriffs um Sachwertgesichtspunkte eine Auflösung des Diebstahls als Eigentumsdelikt.

Nach der Vereinigungstheorie hat der Täter Zueignungabsicht, der die Sache selbst oder den in ihr verkörperten Sachwert dem eigenen Vermögen oder dem eines Dritten einverleiben will. Unter Sachwert fällt dabei nicht nur der in der Sache steckende Wert (lucrum ex re) sondern auch der unter Verwendung der Sache erzielende Wert (lucrum ex negotio cum re).

Erstens scheitert auch die erweiterte Substanztheorie, wenn die Sache keinen Vermögenswert hat oder der Täter die Sache in anderer Weise verwendet, als es ihrem wirtschaftlichen Wert entspricht.

Zweitens schafft eine Verbindung von Sachwert- und Substanzgesichtspunkten keinen doppelten und je nach Sachverhalt beliebig verwendbaren, sondern ein die beiden Teilaspekte der Sachqualität harmoniesierender Zueignunsbergriff.

Personal tools