§ 240 StGB

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Nötigung

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. eine andere Person zu einer sexuellen Handlung oder zur Eingehung der Ehe nötigt,

2. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder

3. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.



Schutzgut

Schutzzweck der Norm ist die Freiheit der Willensbetätigung und Willensentschließung. Der Schutz ist nicht absolut, da es legitime Schranken der Willensfreiheit gibt. Dementsprechend besagt die verfassungskonforme Auslegung, das Gewalt oder Drohung allein noch nicht die Rechtswidrigkeit indizieren sondern der Einzelfall iVm Absatz II beurteilt werden muss (BVerfG 73, 206; 76, 211; BGHSt 34, 71; 35, 270).


Gewalt

a) Definition

Gewalt ist hier als körperlich wirkender Zwang durch die Entfaltung von Kraft oder durch eine Einwirkung sonstiger Art, die nach ihrer Zielrichtung, Intensität und Wirkungsweise dazu bestimmt und geeignet ist, die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung eines anderen aufzuheben oder zu beeinträchtigen.

Nach RGSt 60, 157, 158 ist eine unmittelbare Einwirkung auf den Körper nicht notwendig.

b) Arten

  • via absoluta
  • via compulsiva

c) Beispiele Einsachließen, Schreckschüsse

Das Reichsgericht legte den Gewaltbegriff zunächst eng aus. Später erfolgte eine Ausweitung des Gewaltbegriffs durch den BGH welcher seinen Höhepunkt in der Gleichstellung physischen und psychischen Zwangs nahm im sog. Laepple-Fall (BGHSt 23, 46). Bedenken zu dieser Auslegung finden sich in der Lehre.

d) Entwicklungsgeschichte

Im Wortsinne ist Gewalt die unmittelbare physische Einwirkung des Täters auf das Handlungsobjekt.

Zu einem anderen Gewaltbegriff führt die systematische Auslegung. In den §§ 249, 252 und 255 wird Gewalt näher bestimmt als „Gewalt gegen eine Person“. Im Umkehrschluss ist Gewalt im Sinne des § 240 I also weiter gefasst. Das Reichsgericht lehnte dementsprechend eine Beschränkung des Gewaltbegriffs auf eine unmittelbare Körpereinwirkung ab. Stattdessen sollen „vielmehr alle Handlungen, die von der Person, gegen welche sie unmittelbar oder auch nur mittelbar gerichtet sind, als ein nicht nur seelischer, sondern körperlicher Zwang empfunden werden.“ genügen. Handlung im Sinne dieser Definition bleibt eine physische Einwirkung. Diese muss jedoch nicht unmittelbar auf das Handlungsobjekt wirken. Es genügt eine mittelbare Kraftentfaltung, wenn diese nach ihrer Zielrichtung, Intensität und Wirkungsweise dazu bestimmt und geeignet ist als körperlicher Zwang empfunden zu werden.

In teleologischer Auslegung des Sinns und Zwecks des § 240 I bestimmt sich als Schutzgut der Norm die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung. Mit dem Argument psychischer Zwang könne in demselben Maße wie physischer Zwang die Freiheit des Willens einschränken, weitete darum der BGH in Übereinstimmung mit Teilen der Lehre durch die sog. Laepple-Entscheidung den Gewaltbegriff aus, um auch geistig wirkenden Zwang zu erfassen. Wenn ein auch nur geringer körperlicher Kraftaufwand einen psychisch determinierten Prozess auslöst, welcher als ein starker Zwang wirkt, so liege Gewalt vor.

Der weiten Auslegung des Gewaltbegriffs steht der Bestimmtheitsgrundsatz („nulla poena sine lega certa“) entgegen. Dieses Prinzip, welches durch seine Normierung in Art. 103 II GG, Verfassungsrang zukommt, besagt, es müsse erkennbar sein, welche Handlung unter Strafe gestellt ist und welche nicht. Eine Auslegung des Tatbestandes der Nötigung über den Wortlaut hinaus verstößt nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts und Teilen der Lehre gegen dieses Gebot.

Ein erstes Argument gegen die restriktive Auslegung des Gewaltbegriffs besagt, dass der Bestimmtheitsgrundsatz in einer Spannung zu der Notwendigkeit steht, Normen abstrakt für eine Vielzahl von Fällen festzulegen. Dementsprechend ist es noch kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, wenn eine Norm in besonderer Weise der Auslegung durch den Richter bedarf. Allerdings ist dieser Ermächtigung durch den Bestimmtheitsgrundsatz eine Schranke gesetzt. Diese wäre durch eine Ausweitung des Gewaltbegriffs auf psychischen Zwang überschritten, da für niemanden erkennbar wäre, welches Handeln ein Richter betrafen würde und welches nicht.

Ein zweites Argument gegen die restriktive Anwendung des Gewaltbegriffs ist die Vermeidung von Strafbarkeitslücken. Jedoch ist nach dem strafrechtlichen Grundgedanken des fragmentarischen Rechtsgüterschutzes eine Strafbarkeitslücke nicht notwendigerweise ein Übel. Vielmehr ist es fraglich, ob psychischer Zwang, insofern er nicht durch die Drohungsalternative erfasst ist, überhaupt das scharfe Schwert der Justitia verdient. Dies im Nachhinein zu bewerten, ist nach dem Bestimmtheitsgrundsatz gerade nicht Aufgabe der Rechtssprechung. Stattdessen ist der Gesetzgeber angehalten, die Strafwürdigkeit eines Verhaltens festzustellen. Im Ergebnis ist eine Ausweitung bzw. Vergeistigung des Gewaltbegriffs abzulehnen.

e) problematische Fallgruppen

  • Gewalt gegen Sachen
  • verbaler Terror
  • Vorhalten der Waffe


Drohung

Eine Drohung ist das auf Einschüchterung gerichtete Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, das der Drohende zu beeinflussen vorgibt.

Die Empfindlichkeit eines Übels ergibt sich aus dem Opferhorizont. Entscheidend ist, ob man von dem Opfer ein besonnenes Standhalten erwarten kann.

Auch der Schaden eines Dritten kann ein Übel sein.

Die Drohung kann sich auch auf ein Unterlassen beziehen, wenn der Täter eine Rechtspflicht zum Handlen hat.

Umstritten ist, ob mit einem rechtlich erlaubten Handeln oder Unterlassen gedroht werden kann. Dies ist jedenfalls dann abzulehenen, wenn der Status Quo nicht verändert wird und eher eine zusätzliche Otption dem Opfer gegeben ist.

Verwerflichkeit

Verwerflich ist nach der Rechtssprechung eine Tat, welche in ihrem Mittel, ihrem Zweck oder in der Verknüpfung von Mittel und Zweck in erhöhtem Maße sittlich zu missbilligen ist.

Ist das Mittel ebsenso legitim wie der Zweck und es Mangelt aber an einer inneren Verbindung so ist die Verwerflichkeit gegeben.

Die herrschende Lehre nimmt dahingegen die Sozialwidrigkeit der Tat zum Maßstab.

Beide Kriterien aber lassen nach dem Grundsatz „minima non curat praetor“ Verwerflichkeit ausscheiden, wenn ein lediglich geringfügiger Zwang ausgeübt wird. Dieser Grundsatz der Geringfügigkeit kommt für den Tatbestand der Nötigung in besonderer Weise zum Tragen. Denn ihr Schutzgut, die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung, kann notwendigerweise nicht absolut geschützt werden. Die Existenz des Menschen als soziales Wesen, eingebettet in die menschliche Gemeinschaft, bedingt eine Vielzahl nicht sozialwidriger oder unsittlicher Zwänge.


Schema

  • Nötigungshandlung durch Gewalt oder Drohung
  • Nötigungserfolg
  • Verwerflichkeit
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