Allgemeines Strafrecht
From Ius
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== Strafrecht == | == Strafrecht == | ||
- | |||
'''Definition''' | '''Definition''' | ||
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== Straftat == | == Straftat == | ||
+ | '''Definition''' | ||
+ | |||
+ | Eine Straftat ist eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige, schuldhafte Handlung, welche ein Rechtsgut verletzt oder gefährdet. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Grundform''' | ||
+ | |||
+ | Die Grundform der Straftat ist das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt. | ||
+ | |||
+ | Vollendung wird im Gegensatz zu Versuch, Vorbereitung und Beendigung definiert. Die Prüfung des Versuches ergibt sich aus aus der Verneinung des objektiven Tatbestandes. | ||
+ | |||
+ | Vorsatz wird in Gegensatz zu Fahrlässigkeit und der Kombination von Fahrlässigkeit und Versuch definiert. Die Prüfung der Fahrlässigkeit ergibt sich aus der Verneinung des Vorsatzes. | ||
+ | |||
+ | Begehung wird in Gegensatz zu Unterlassung definiert. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Aufbau''' | ||
+ | |||
+ | * Tatbestand (''imputatio facti'') | ||
+ | |||
+ | * objektive Bedingungen der Strafbarkeit | ||
+ | |||
+ | * Rechtswidrigkeit (''applicatio legis ad factum'') | ||
+ | |||
+ | * Schuld (''imputatio iuris'') | ||
+ | |||
+ | * Persönliche Strafausschließungs-/-aufhebungsgründe | ||
+ | |||
+ | * Strafverfolgungsvoraussetzungen und -hindernisse | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Unwert''' | ||
+ | |||
+ | Der Erfolgsunwert ist durch die Verletzung eines Rechtguts definiert. | ||
+ | |||
+ | Der Handlungsunwert ist durch ein bestimmtes Handeln gegen ein Rechtsgut definiert. Dies schließt die Art & Weise (Heimtücke), den Vorsatz und den Mangel an Rechtfertigung ein. Da der Erfolgsunwert schon eine subjektives Elemenet enthält ergibt sich auch aus dieser Konzeption die Notwendigkeit den Vorsatz in das Unrecht mit aufzunehmen. | ||
+ | |||
+ | Der Gesinnungsunwert findet seinen Ausdruck in der Schuld. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Unrecht''' | ||
+ | |||
+ | Tatbestand und Rechtswidrigkeit definieren das Unrecht. | ||
+ | |||
+ | Gerechtfertigt wird eine dualistsiche Unrechtskonzeption welche den Erfolgsunwert und den Handlungsunwert in sich aufnimmt aus dem Zweck der Strafnorm. Einerseits soll sie als Schutznorm bestimmte Rechtsgüter des Opfers schützen und andernseits soll sie als Pflichtnorm bestimmte Verhaltensweisen verbieten. | ||
+ | |||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
== Deliktarten == | == Deliktarten == | ||
+ | '''Vergehen & Verbrechen''' | ||
+ | |||
+ | Vergehen sind Delikte, welche mit unter einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. | ||
+ | |||
+ | Verbrechen sind Delikte, welche mit Freiheitstrafe über einem Jahr geahndet werden. ([[§ 12 StGB]]; Die Unterteilung in Verbrechen und Vergehen richtet sich nach dem angedrohten nicht dem verhängten Strafmaß. Die Unterscheidung wird in der Strafbarkeit des Versuchs relevant.) | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Versuch & Vollendung''' | ||
+ | |||
+ | Versuchte Verbrechen sind stets strafbar, versuchte Vergehen nur wenn das Gesetz es vorsieht ([[§ 23 StGB]] I). | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Vorsatz & Fahrlässigkeit''' ([[§ 15 StGB]]) | ||
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+ | |||
+ | '''Grundtatbestand''' | ||
+ | |||
+ | Ein Grundtatbestand ist die Grundform eines Deliktstyps. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''unselbsttändige Abwandlung''' | ||
+ | |||
+ | Eine unselbsttändige Abwandlung ist die Erweiterung um spezielle zwingende und abschließende Merkmale als Qualifizierung und Privilegierung. Diese können einander sperren oder ergänzen. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''selbstständige Abwandlung''' | ||
+ | |||
+ | Eine selbstständige Abwandlung stellt ein Delikt mit eigenständigen Unwert da. Sie liegt vor wenn der Unwertsgehalt (Erfolg, Handlung, Gesinnung) abschließend und zwingend abgewandelt ist. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Tätigkeit & Erfolg''' | ||
+ | |||
+ | Tätigkeitsdelikte treten schon durch das Tätigwerden ohne Erfolg ein. (Meineid, [[§ 153 StGB]]) | ||
+ | |||
+ | Erfolgsdelikte setzen den Erfolg voraus. (Totschlag, [[§ 211 StGB]]) | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Verletzung & Gefährdung''' | ||
+ | |||
+ | Verletzungsdelikte verlangen die reale Schädigung des Handlungsobjekts (Sachbeschädigung [[§ 303 StGB]]). | ||
+ | |||
+ | Gefährdungsdelikte bezeichnen die Herbeiführung einer Gefahr für das Schutzobjekt. Konkrete Gefärdungsdelikte treten ein wenn die Gefahr als Folge einer Handlung tatsächlich wirksam wird ([[§ 315c StGB]] I). Abstrakte Gefährdungsdelikte treten durch ein bestimmtes Verhalten ein, unabhängig von der tatsächlichen Gefahr ([[§ 316 StGB]]). | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Dauer & Zustand''' | ||
+ | |||
+ | Dauerdelikte treten ein wenn der Bestand des rechtswidrigen Zustandes vom Täterwillen abhängt (Freiheitsberaubung [[§ 239 StGB]]). | ||
+ | |||
+ | Zustandsdelikte treten ein wenn Herbeiführung und Vollendung zusammenfallen ([[§ 303 StGB]]). | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Begehung & Unterlassen''' | ||
+ | |||
+ | Begehungsdelikte treten durch aktives Handeln ein. | ||
+ | |||
+ | Unterlassensdelikte treten durch passives Unterlassen ein. Ist dieses Unterlassen durch Garantenstellung und durch Gleichwertigkeit mit aktivem Tun gekennzeichnet, ist ein unechtes Unterlassensdelikt gegeben ([[§ 13 StGB]]). Ist dieses Unterlassen in einem eigenen Tatbestand umschrieben so liegt ein echts Unterlassensdelikt vor (Unterlassene Hilfeleistung [[§ 323c StGB]]). | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Allgemein & Spezial''' | ||
+ | |||
+ | Allgemeindelikte können durch jeden begangen werden. | ||
+ | |||
+ | Spezialdelikte können nur von besonderen Personen begangen werden. Bei echten Spezialdelikten ([[§ 331 StGB]]) ist Subjektqualität strafbegründend. Bei unechten Spezialdelikten ([[§ 340 StGB]]) ist besondere Subjektsqualität lediglich strafschärfend. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Eigenhändig''' | ||
+ | |||
+ | Eigenhändige Delikte schließen Straftaten durch Beihilfe aus (Verwandtenbeischlaf). | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Unternehmen''' | ||
+ | |||
+ | Das unmittelbare Ansetzen fällt mit der Vollendung zusammen. (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) | ||
+ | |||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
= Tatbestand = | = Tatbestand = | ||
+ | '''Objektiver Tatbestand''' | ||
+ | |||
+ | * Tatsubjekt | ||
+ | |||
+ | * Tatobjekt | ||
+ | |||
+ | * Tathandlung (Art & Weise, Hilfsmittel) | ||
+ | |||
+ | * Erfolg | ||
+ | |||
+ | * Kausalität | ||
+ | |||
+ | * objektive Zurechenbarkeit | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Subjektiver Tatbestand''' | ||
+ | |||
+ | * Vorsatz | ||
+ | |||
+ | * Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale | ||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
== Handlung == | == Handlung == | ||
+ | '''Definition''' | ||
+ | |||
+ | Eine Handlung ist ein menschliches willensgetragenes Verhalten. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Abgrenzung''' | ||
+ | |||
+ | Bei bloßen Naturereignissen und Handlungen von juristischer Personen oder von Tieren ist kein menschliches Handeln gegeben. Strafbar sind grundsätzlich nur natürliche Personen. Dies ändert sich jedoch durch die Entwicklung eines Verbandsstrafrechts. | ||
+ | |||
+ | In den Fällen von Hypnose, Schlaf, Bewusstlosigkeit, äußerer Gewalt (vis absoluta; ggs.: willensbeugende Gewalt/vis compulsiva), Reflex und Schreckreaktion (ggs.: beherrschbare Spontanreaktion, Affekt/Kurzschluss; Tätigkeit aus eingeübten Verhalten) ist kein willensgetragenes Verhalten gegeben. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Kausale Handlungslehre''' | ||
+ | |||
+ | Nach der kausalen Handlungslehre ist eine Handlung jedes gewillkürtes äußerliches Verhalten. Die Ursache ist der auslösende Wille, die Wirkung der tatbestandliche Erfolg. Der Vorsatz wird erst in der Schuld geprüft. | ||
+ | |||
+ | Die Handlungslehre kann Tätigkeitsdelikte, Unterlassungsdelikte und den Versuch nur unzureichend erfassen. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Finale Handlungslehre''' | ||
+ | |||
+ | Nach der finalen Handlungslehre ist eine Handlung jedes willensgetragene, zweckgerichtete Verhalten. Ursache ist der gestaltete Wille, Wirkung eine bewusste vom Ziel her gelenkte Handlung. Der Vorsatz wird bereits im Tatbestand geprüft. | ||
+ | |||
+ | Die Handlungslehre kann Fahrlässigkeitsdelikte und Unterlassungsdelikte nur unzureichend erfassen. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Soziale Handlungslehre''' | ||
+ | |||
+ | Nach dieser herrschenden Handlungslehre ist eine Handlung ein, vom menschlichen Willen beherrschtes und beherrschbares, sozialerhebliches Verhalten. Der Vorsatz hat eine Doppelfunktion in Tatbestand und Schuld. | ||
+ | |||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
== Kausalität == | == Kausalität == | ||
+ | '''Definition''' | ||
+ | |||
+ | Ursächlich im Sinne des Strafrechts ist jede Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Formen''' | ||
+ | |||
+ | ''a) Alternative Kausalität'' | ||
+ | |||
+ | Hier ergibt die Bedingungstehorie keine Kausalität. Darum muss die Eliminierungsformel angewendet werden. (Gremienentscheidungen) | ||
+ | |||
+ | ''b) Kumulative Kausalität'' | ||
+ | |||
+ | ''c) Hypothetische Kausalität'' | ||
+ | |||
+ | Hier gilt das Verbot des Hinzudenkens von Ersatzursachen, die Formel vom konkreten Erfolg und der Beschleunigung und das Gebot des Hinzudenkens von rettenden Kausalverläufen. (Massenkarambolagefalle: BGHSt 30, 228) | ||
+ | |||
+ | ''d) Atypischer Kausalverlauf'' | ||
+ | |||
+ | Hier ist die Kausalität nicht berührt. Diese Form der Kausalität wird aber in der objektiven Zurechung relevant. | ||
+ | |||
+ | ''e) Anknüpfenden Kausalität'' | ||
+ | |||
+ | Zur Abgrenzug der anknüpfenden Kausalität von der zuvorkommenden ist die Frage relvant ob die eine Ursache ohne die andere denkbar ist. | ||
+ | |||
+ | ''f) Zuvorkommende (überholende, abgebrochen) Kausalität'' | ||
+ | |||
+ | Die Kausalität wird nur hier verneint. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Modifikationen''' | ||
+ | |||
+ | ''a) Eliminierungsformel'' | ||
+ | |||
+ | Von mehreren Bedingungen die alternativ, aber nicht kummulativ hinweggedacht werden können, ohne das der Erfolg entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich. | ||
+ | |||
+ | ''b) Erfolg in seiner konkreten Gestalt'' | ||
+ | |||
+ | Ursächlich im Sinne des Strafrechts ist jede Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. | ||
+ | |||
+ | ''c) Beschleunigung'' | ||
+ | |||
+ | Die bloße Beschleunigung des Erfolgs gilt auch als Ursache. | ||
+ | |||
+ | ''d) Verbot des Hinzudenkens von Ersatzursachen'' | ||
+ | |||
+ | ''e) Gebot des Hinzudenkens von rettenden Kausalverläufen'' | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Äquivalenztheorie''' | ||
+ | |||
+ | ''a) Formeln'' | ||
+ | |||
+ | Grundgedanke der Theorie ist eine Entsprechung von Ursache und Erfolg. Es stehen zwei Formeln zur Prüfung dieser Entsprechung zur Verfügung. Nach der conditio-sine-qua-non-Formel ist ursächlich im Sinne des Strafrechts jede Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Nach der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung ist eine Handlung dann kausal, wenn sich an diese Handlung zeitlich nachfolgende Veränderungen in der Außenwelt abgeschlossen haben, die mit der Handlung nach den uns bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden waren und sich als tatbestandsmäßiger Erfolg darstellen. | ||
+ | |||
+ | ''b) Vorteile und Probleme'' | ||
+ | |||
+ | Die Kausalität soll vorrechtlich wertungsfrei sein. Dies wird durch eine Anlehnung an den naturwissenschaftlichen Kausalitätsbegriff erreicht. | ||
+ | |||
+ | Die Bedingungstheorie führt zu einer uferlosen Kausalität welche bloße Mitverursachung und Beschleunigung als auch atypische Kausalverläufe mit einbezieht. | ||
+ | |||
+ | Darum besteht nach konkurrierende Theorien die Notwendigkeit die objektive Zurechnung in den Kausalitätsbegriff zu integrieren. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Adäquanztheorie''' | ||
+ | |||
+ | Kausal ist eine Handlung dann, wenn sie einen nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbaren Erfolg verursacht (eng) bzw. einen nicht völlig unvorhersehbaren Erfolg verursacht. | ||
+ | |||
+ | Diese Theorie integriert die besondere Prüfung auf atypische Kausalität bei der Zurechnung in den Kausalitätsbegriff. Verursachung und Zurechnung werden damit nicht sauber getrennt. | ||
+ | |||
+ | Sie ist die herrschende Lehre im Privatrecht. | ||
+ | |||
+ | Diese Theorie ist stets anzuwenden, wenn ein atypischer Kausalverlauf auftritt. Auch ist ein Streitentscheid notwendig. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Relevanztheorie''' | ||
+ | |||
+ | Sie trennt Kausalität und objektive Zurechnung, indem sie für die Kausalität die Äquivalenztheorie und für die Zurechenbarkeit die Kriterien der Adäquanztheorie verwendet. | ||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
== Objektive Zurechenbarkeit == | == Objektive Zurechenbarkeit == | ||
- | == Vorsatz == | + | == Vorsatz ([[§ 15 StGB]])== |
+ | '''Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln''' | ||
+ | |||
+ | Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. | ||
+ | |||
+ | ---- | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Definition''' | ||
+ | |||
+ | Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller objektiven Tatumstände. | ||
+ | |||
+ | Ansatzpunkt des Vorsatzes ist die Entscheidung des Täters gegen Rechtsordnung. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Doppelnatur''' | ||
+ | |||
+ | Der Vorsatz wird entsprechend der sozialen Handlungslehre im Tatbestand und in der Schuld als Vorsatzschuld behandelt. Der Unrecht kann nicht hinreichend beschrieben werden ohne auf subjektive Elemente Bezug zu nehmen. Auch darum ist der Vorsatz notwendig ein Teil des Tatbestandes. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Bezugsobjekte''' | ||
+ | |||
+ | * deskriptive Tatbestandsmerkmale | ||
+ | |||
+ | * normative Tatbestandsmerkmale | ||
+ | |||
+ | * Kausalität | ||
+ | |||
+ | * objektive Merkmale der Privilegierungen/Qualifizierungen | ||
+ | |||
+ | Der Vorsatz muss sich nicht beziehen auf die schwere Folge erfolgsqualifizierter Delikte, auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe, die Voraussetzungen der Schuld, die objektive Bedingungen der Strafbarkeit und die Proßessvoraussetzungen. | ||
+ | |||
+ | Kenntnis der allgemeinen Art des Tatbestandes ist ausreichend (Schuss in die Menge). | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Zeitpunkt''' | ||
+ | |||
+ | Maßgeblicher Zeitpunkt ([[§ 8 StGB]]) ist die Vornahme der tatbestandlichen Ausführungshandlung. Nachträgliches Wissen bzw Billigung (dolus subsequens) oder vorheriger Vorsatz (dolus antecedens) sind unschädlich. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Fahrlässigkeit''' | ||
+ | |||
+ | Liegt kein Vorsatz vor kommt die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit in betracht. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Wille''' | ||
+ | |||
+ | Die Grade des voluntativen Elements des Vorsatzes sind Absicht, Billigung, Gleichgültigkeit und Unerwünschtheit. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Wissen''' | ||
+ | |||
+ | Die Grade des kognitiven Elements des Vorsatzes sind Gewissheit, Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit. | ||
+ | |||
+ | ''a) aktuelles Bewusstsein und sachgedankliche Mitbewusstsein'' | ||
+ | |||
+ | Erforderlich ist ein aktuelles Bewusstsein der Tatumstände und zumindest das sachgedankliche Mitbewusstsein als Fähigkeit spontan auf Frage nach relevanten unbewussten Wissen zu antworten. Entscheidend ist, das die Kenntnis der Tatbestandsmerkmale bei der Willensbildung wirksam gewesen ist. | ||
+ | |||
+ | Ein Beispiel ist der Polizist, der einen Apfel stiehlt ohne an seine Dienswaffe zu denken und damit den Diebstahl mit Waffen nach [[§ 244 StGB]] verwirklicht. | ||
+ | |||
+ | ''b) unterschwelliges und potentielles Bewusstsein'' | ||
+ | |||
+ | Das unterschwellige Bewusstsein als das bloße Gefühl etwas stimme nicht oder das potentielle Bewusstsein, welches erst durch Nachdenken oder Erinnern wachgerufen werden kann genügt den Anforderungen nicht. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Absicht''' | ||
+ | |||
+ | Der dolus directus 1. Grades liegt vor, wenn es dem Täter gerade auf den sicheren oder möglichen tatbestandlichen Erfolg ankommt. | ||
+ | |||
+ | Im Gesetz mitunter als "''absichtlich''" expliziert. ([[§ 226 StGB]]) | ||
+ | |||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Wissentlichkeit''' | ||
+ | |||
+ | Der dolus directus 2. Grades (direkter Vorsatz) liegt in der Billigung des sicheren Erfolgs. | ||
+ | |||
+ | Die Billigung ergibt sich notwendig aus der Gewissheit, auch wenn der Erfolg an sich unerwünscht ist. | ||
+ | |||
+ | Ansatzpunkt der Gewissheit können allein die Nebenfolgen sein, da hinsichtlich der Hauptfolgen Absicht gegeben ist. | ||
+ | |||
+ | Dementsprechend sind auch Fälle beabsichtigten unsicheren Erfolgs mit sicherer Nebenfolge eingeschlossen. | ||
+ | |||
+ | Im Gesetz mitunter als "''wissentlich''" expliziert. ([[§ 187 StGB]]) | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Eventualvorsatz''' | ||
+ | |||
+ | Der dolus eventualis setzt intellektuell das Bewusstsein der Möglichkeit des Taterfolgs voraus. | ||
+ | |||
+ | Über das voluntative Element besteht Streit. Nach den intellektuellen Abgrenzungstheorien ist es nicht notwendig, nach den voluntativen Abgrenzungstheorien unverzichtbar. | ||
+ | |||
+ | ''a) Intellektuelle Abgrebzungstheorien'' | ||
+ | |||
+ | Die intellektuelle Möglichkeitstheorie verlangt für den Eventualvorsatz, dass der Täter die reale Möglichkeit der Rechtsgutverletzung erkannt und trotzdem gehandelt hat. | ||
+ | |||
+ | Die intellektuelle Wahrscheinlichkeitstheorie verlangt für den Eventualvorsatz, dass der Täter den Eintritt des Erfolges für wahrscheinlich dh, für mehr als möglich gehalten hat. | ||
+ | |||
+ | Die intellektuellen Abgrenzungstheorien werden von der herrschenden Meinung mit dem Argument abgelehnt, dass sie keine eindeutige Abgrenzung zu der bewussten Fahrlässigkeit vornehmen könnten. | ||
+ | |||
+ | ''b) Voluntative Abgrenzungstheorien'' | ||
+ | |||
+ | Nach der voluntativen Gleichgültigkeitstheorie liegt Eventualvorsatz vor, wenn der Täter die von ihm für möglich gehaltene Tatbestandsverwirklichung aus Gleichgültigkeit in Kauf nimmt. | ||
+ | |||
+ | Nach der herrschenden voluntativen Einwilligungs- oder Billigungstheorie ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den tatbestandlichen Erfolg gebilligt oder billigend in Kauf genommen hat. | ||
+ | |||
+ | ''c) Bewusste Fahrlässigkeit'' | ||
+ | |||
+ | Schwierig ist hier die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit. Entscheidend ist das voluntative Moment, denn das kognitive ist identisch. Eventualvorsatz auf der einen Seite verlangt eine Billigung und bewusste Fahrlässigkeit auf der anderen Seite verlangt die leichtsinnige Sichherheit über den erwünschten Ausgang. In einer anderen Variante ist die Bewusstheit der Güterabwägung relevant. Nach der Frankeschen Formel ist die bewusste Fahrlässigkeit ein "Es wird schon gutgehen.", der Eventualvorsatz aber ein "Na wenn schon!" | ||
+ | |||
+ | Grundsätzlich ist der Eventualvorsatz für alle Vorsatzdelikte ausreichend. Das Gesetz kann aber anderes durch die Formulierung "absichtlich" oder "wissentlich" bestimmen. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Alternativer Vorsatz''' | ||
+ | |||
+ | Dolus alternativus ist Unwissen ob ein Verhalten einen von zwei widersprüchlichen Tatbeständen erfüllen wird. | ||
+ | |||
+ | Beispiel ist ein Verfolgter der auf Verfolger und seinen Hund schießt um wenigstens einen zu treffen. | ||
+ | |||
+ | Die Konsequenzen sind umstritten: Es kann der Vorsatz je nach Erfolg bestimmt werden oder stets der schlimmere Vorsatz unabhängig von Erfolg angenommen werden. | ||
+ | [[category: Strafgesetzbuch]] | ||
= Rechtswidrigkeit = | = Rechtswidrigkeit = | ||
+ | '''Definition''' | ||
+ | |||
+ | Eine Handlung ist rechtswidrig, wenn sie einen Unrechtstatbestand verwirklicht und nicht ausnahmsweise durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt wird. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Rechtfertigung''' | ||
+ | |||
+ | Eine Rechtfertigung ergibt sich aus der Kollision einen Unrechtstatbestandes und eines Erlaubnistatbestandes. | ||
+ | |||
+ | Es gibt den objektiven Erlaubnistatbestand und den subjektiven Erlaubnistatbestand, insbesondere der Rettungswille (Notstand), der Verteidigungswille (Notwehr) und die Kenntnis des Rechtsverzichts (Einwilligung). | ||
+ | |||
+ | Charakteristisch für die Rechtfertigung ist, dass sie das Opfer belastet indem sie den Täter entlastet. Dem entspricht die Duldungspflicht des Opfers. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Grundgedanke''' | ||
+ | |||
+ | Grundgedanke der Rechtfertigung ist eine Rechtsgutabwägung. | ||
+ | |||
+ | Diese wurde in den Fällen des [[§ 32 StGB]] und [[§ 227 BGB]] durch den Gesetzgeber vorgenommen, welcher den generellen Vorrang des angegriffenen Interesses vor dem Interesse des Angreifers bestimmt. | ||
+ | |||
+ | Abwägung wird durch den Richter in den Fällen des [[§ 34 StGB]] und [[§ 904 BGB]] vorgenommen. | ||
+ | |||
+ | Abwägung durch das Opfer geschieht durch die Einwilligung. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Prüfungsreihenfolge''' | ||
+ | |||
+ | * Einwilligung | ||
+ | |||
+ | * Notwehr ([[§ 32 StGB]], [[§ 227 BGB]]) | ||
+ | |||
+ | * erlaubte Selbsthilfe (§§ 229, 562b, 859, 1029 BGB) | ||
+ | |||
+ | * zivilrechtlicher Notstand ([[§ 228 BGB]], [[§ 904 BGB]]) | ||
+ | |||
+ | * allgemein rechtfertigender Notstand ([[§ 34 StGB]], § 16 OWiG) | ||
+ | |||
+ | * rechtfertigende Pflichtenkollision | ||
+ | |||
+ | * Wahrnehmung berechtigter Interessen bei Ehrverletzungen ([[§ 193 StGB]]) | ||
+ | |||
+ | * Erziehungsrecht | ||
+ | |||
+ | * Festnahmerecht ([[§ 127 StPO]], § 87 StVollzG) | ||
+ | |||
+ | * Amtsbefugnisse (auch Dienstrechte, Amtspflichten) (§§ 81 ff StPO u.a.) | ||
+ | |||
+ | * Widerstandsrecht ([[§ 20 GG]]) | ||
+ | |||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
== Einwilligung == | == Einwilligung == | ||
+ | '''Tatbestandauschließendes Einverständnis''' | ||
+ | |||
+ | Insbesondere bei Tatbeständen welche das ''"gegen den Willen"'' einschließen wie zum Beispiel [[§ 248b StGB]] und [[§ 123 StGB]]. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Rechtfertigende Einwilligung''' | ||
+ | |||
+ | * Verzichtbarkeit (Disponibilität) des geschützten Rechtsgutes | ||
+ | |||
+ | * Verfügungberechtigung | ||
+ | |||
+ | * Einwilligungsfähigkeit (natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit) | ||
+ | |||
+ | * keine wesentlichen Willensmängel (Täuschung, Nötigung. Irrtum) | ||
+ | |||
+ | * gute Sitten | ||
+ | |||
+ | * Ausdrücklichkeit | ||
+ | |||
+ | * Kenntnis der Einwilligung und Handlungsgrund durch Täter | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Mutmaßliche Einwilligung''' | ||
+ | |||
+ | * Handeln im materiellen Interesse | ||
+ | |||
+ | * Prinzip des mangelnden Interesses (des Einwilligenden) | ||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
- | == Notwehr == | + | == Notwehr ([[§ 32 StGB]]) == |
- | + | '''Notwehr''' | |
- | == Zivilrechtlicher Notstand == | + | |
- | + | (1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. | |
- | == Notstand == | + | |
- | + | (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. | |
- | == Festnahme == | + | |
+ | ---- | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Abwägung''' | ||
+ | |||
+ | Abwägung durch den Gesetzgeber: Genereller Vorrang des angegriffenen Interesses vor dem Interesse des Angreifers. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Ratio''' | ||
+ | |||
+ | Die Notwehr und die Nothilfe begründen sich aus dem individuellen Rechtsgüterschutz und der allgemeinen Rechtsbewährung. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Notwehrlage''' | ||
+ | |||
+ | ''a) Angriff'' | ||
+ | |||
+ | Ein Angriff ist jede durch eine menschliche Handlung drohende Verletzung rechtlich geschützter individueller Güter. Der Angriff braucht nicht gezielt oder schuldhaft zu sein, muss aber Handlungsqualität besitzen und kann auch in einem Unterlassen liegen. | ||
+ | |||
+ | ''b) Gegenwärtigkeit'' | ||
+ | |||
+ | Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert. Dies schließt Präventvmaßnahmen aus. | ||
+ | |||
+ | ''c) Rechtswidrigkeit'' | ||
+ | |||
+ | Ein Anriff ist rechtswidrig, wenn er im Widerspruch zur Rechtsordnung steht und der Angegriffene ihn nicht dulden braucht. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Notwehrhandlung''' | ||
+ | |||
+ | ''a) Hanlungsziel'' | ||
+ | |||
+ | Die Handlung muss gegen den Angreifer gerichtet sein. | ||
+ | |||
+ | ''b) Eignung'' | ||
+ | |||
+ | Eine Handlung ist als Verteidigung geeignet, wenn sie den Angriff ganz beenden oder wenigstens hindern kann. | ||
+ | |||
+ | ''c) Erforderlichkeit'' | ||
+ | |||
+ | Erforderlichkeit ist gegeben wenn die Handlung das mildeste, gleichermaßen geeignete Mittel ist. Unsicherheiten gehen zu Lasten des Angreifers. | ||
+ | |||
+ | ''d) Gebotenheit'' | ||
+ | |||
+ | Gebotenheit scheidet aus bei einem krassen Missverhältnis zum drohenden Schaden, wenn der Angriff provoziert oder selbst verschuldet wurde, der Angegriffene in einer Garantensetellung steht oder der Angreifende schuldunfähig ist oder irrt. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Verteidigungwille und -wissen''' | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Notwehrüberschreitung''' ([[§ 33 StGB]]) | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Putativnotwehr''' | ||
+ | [[category: Strafgesetzbuch]] | ||
+ | |||
+ | == Zivilrechtlicher Notstand ([[§ 228 BGB]])== | ||
+ | '''Notstand''' | ||
+ | |||
+ | Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet | ||
+ | |||
+ | ---- | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Definition''' | ||
+ | |||
+ | Ein zivilrechtlicher Notstand ist ein Zustand gegenwärtiger Gefahr für rechtlich geschützte Interessen durch eine Sache, dessen Abwendung nur auf Kosten fremder Interessen möglich ist. | ||
+ | |||
+ | Eine Rechtfertigung ist hier also nur für die Sachbeschädigung zu finden. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''defensiver Notstand''' | ||
+ | |||
+ | Dies ist der Briefträgerparagraph, welcher den Fall regelt, dass eine Sache welche die Gefahr schafft zerstört oder beachädigt wird. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''aggressiver Notstand''' ([[§ 904 BGB]]) | ||
+ | |||
+ | Eine gefahrenfremde Sache wird zur Abwehr zerstört oder beschädigt. Es besteht Schadensersatzanspruch. | ||
+ | Hierzu: BGHZ 30.10.1984 | ||
+ | [[category: Bürgerliches Gesetzbuch]] | ||
+ | |||
+ | == Notstand (§ 34 StGB)== | ||
+ | '''Rechtfertigender Notstand''' | ||
+ | |||
+ | Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. | ||
+ | |||
+ | ---- | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Rechtfertigender und entschuldigender Notstand''' | ||
+ | |||
+ | Beim rechtfertigenden Notstand trägt das Prinzip des überwiegenden Interesses. Beim entschuldigender Notstand sind die Interessen gleichwertig. Eine Abwehr wird rechtlich darum missbilligt. Auf den Schuldvorwurf wird aber verzichtet. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Notstandslage''' | ||
+ | |||
+ | ''a) Gefahr'' | ||
+ | |||
+ | Eine Gefahr ist ein Zustand, der jederzeit in eine konkrete Rechtsgutbeeinträchtigung umschlagen kann. Die Gefahr kann auch auf eigene Schuld beruhen. | ||
+ | |||
+ | ''b) Gegenwärtigkeit'' | ||
+ | |||
+ | Gegenwärtigkeit ist ein Zustand, dessen Weiterentwicklung den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten lässt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen getroffen werden. Sie ex ante aus der Position eines objektiven Dritten zu bestimmen | ||
+ | |||
+ | Als Gefahr gilt auch die Dauergefahr, falls der Zeitpunkt der Beeinträchtigung unbestimmt aber jederzeit möglich ist (baufälliges Haus, Begegnung mit einem notorischen Prügler ohne sichtbare Angriffsabsichten). Sie ist gegenwärtig wenn sie nur durch unverzügliches Handeln abgewendet werden kann. | ||
+ | |||
+ | ''c) Notstandsfähiges Rechtsgut'' | ||
+ | |||
+ | Notstandsfähig sind nur schutzbedürftige und schutzwürdige Rechtsgüter. (Nicht etwa die Freiheit der Strafgefangenen) | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Notstandshandlung''' | ||
+ | |||
+ | ''a) Handlungsziel'' | ||
+ | |||
+ | Die Handlung muss gegen das Rechtsgut eines Dritten gerichtet sein. (?) | ||
+ | |||
+ | ''a) Eignung'' | ||
+ | |||
+ | ''b) Erforderlichkeit'' | ||
+ | |||
+ | (Die Handlung muss das mildestmögliche gleichermaßen geeignete Mittel sein. Hier gilt anders als bei der Notwehr die Ausweichpflicht.) | ||
+ | |||
+ | ''c) Interessenabwägung'' | ||
+ | |||
+ | * Rang der betroffenen Güter | ||
+ | |||
+ | * Grad des Einfriffs | ||
+ | |||
+ | * Art und Ursprung der Gefahr (Mitverschulden) | ||
+ | |||
+ | * besondere Gefahrtragungspflichten (Polizisten) | ||
+ | |||
+ | * spezielle Schutzpflichten | ||
+ | |||
+ | * die mit der Tat ansonsten verfolgten Motive | ||
+ | |||
+ | * Ersetzbarkeit des drohenden Schadens | ||
+ | |||
+ | * Maß der Rettungschance dür das betroffene Rechtsgut | ||
+ | |||
+ | ''d) Angmessenheit'' | ||
+ | |||
+ | Zweck der Klausel ist es, trotz Gebotenheit unangemessene Fälle auszuschließen. | ||
+ | |||
+ | Kriterien siehe: Wessels 35, 111-115 | ||
+ | |||
+ | Beispiel: A ist arm und todkrank B ist reich. A stiehlt B Geld da Tod nicht anders abwendbar. Keine Rechtfertigung da Unangemessenheit, B nicht verantwortlich. A braucht Blutspende. Der Unbeteiligte B ist in der Nähe und hat die Richtige Blutgruppe. Gegen ihn besteht keine Notstandslage. | ||
+ | |||
+ | Allgemeine Notstandslage kann auch eintreten wenn nur ein Rechtsgut betroffen ist. (A wirft B aus dem Fenster um ihn vor sicherem Flammentod zu bewahren.) | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Rettungswille und Wissen um Handlung und Lage''' | ||
+ | |||
+ | |||
+ | [[category: Strafgesetzbuch]] | ||
+ | |||
+ | == Festnahme (§ 127 StPO)== | ||
+ | (1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1. | ||
+ | |||
+ | (2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen. | ||
+ | |||
+ | (3) Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist. | ||
+ | |||
+ | ---- | ||
+ | [[category: Strafprozessordnung]] | ||
= Schuld = | = Schuld = | ||
+ | '''Definition''' | ||
+ | |||
+ | Schuld ist die Vorwerfbarkeit eines Unrechts in Hinblick auf die zugrundeliegende tadelnswerte Gesinnung. | ||
+ | |||
+ | Entsprechen dem Grundsatz ''nulla poena sine culpa'' wirkt die Schuld strafbegründend und -begrenzend. | ||
+ | |||
+ | Voraussetzung der Schuld ist die Entscheidungsfreiheit. | ||
+ | |||
+ | Die tatbezogene konsensuelle Rechtschuld ist zu unterscheiden von der pluralistischen und gesinnungsbezogenen moralischen Schuld. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Psychologische Schuldlehre''' | ||
+ | |||
+ | Die psychologische Schuldlehre beschränkt den Begriff auf die seelische Beziehung des Täters zur Tat, mithin auf Vorsatz und Fahrlässigkeit ohne den vorsätzlichen entschuldigenden Notstand erklären zu können. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Funktionalistische Schuldlehre''' | ||
+ | |||
+ | Die funktionalistische Schuldlehre begreift die Schuld lediglich als Derivat der Generalprävention, nur zu ihrem Zwecke ist Schuld erforderlich. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Normative Schuldlehre''' | ||
+ | |||
+ | Diese von Frank begründete Lehre stellt auf die normative Bewertung der Vorwerfbarkeit ab. Sie ist als herrschende Lehre ein Sammelbegriff für: | ||
+ | |||
+ | * Schuldfähigkeit | ||
+ | |||
+ | * spezielle Schuldmerkmale | ||
+ | |||
+ | * Schuldformen | ||
+ | |||
+ | * Unrechtsbewusstsein | ||
+ | |||
+ | * Fehlen von Entschuldigungsgründen | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Schuldfähigkeit''' | ||
+ | |||
+ | Die Schuldfähigkeit definiert sich negativ aus den verschiedenen Graden des Gegenteils. | ||
+ | |||
+ | * Schuldunfähigkeit: [[§ 19 StGB]], [[§ 20 StGB]] | ||
+ | |||
+ | * verminderte Schuldfähigkeit: [[§ 21 StGB]] | ||
+ | |||
+ | * bedingte Schuldfähigkeit: [[§ 3 JGG]], [[§ 105 JGG]] | ||
+ | |||
+ | * actio in libera caus (alic) | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''spezielle Schuldmerkmale''' | ||
+ | |||
+ | Dies sind beispielsweise im Mord "niedrige Beweggründe", bei der Mißhandlung von Schutzbefohlenen "Böswilligkeit" und bei der gefährung des Straßenverkehrs "Rücksichtslosigkeit". | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Schuldformen''' | ||
+ | |||
+ | Da Strafe, Unrecht und Schuld idR zueinander direkt proportional sind ist die Frage nach Vorsatz und Fahrlässigkeit auch für die Schuld relevant. | ||
+ | |||
+ | ''a) Vorsatzschuld'' | ||
+ | |||
+ | Die Vorsatzschuld ist die Vorwerfbarkeit von Rechtsfeindlichkeit. | ||
+ | |||
+ | ''b) Fahrlässigkeitsschuld'' | ||
+ | |||
+ | Die Fahrlässigkeitsschuld ist die Vorwerfbarkeit von Nachlässigkeit. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Unrechtsbewusstsein''' | ||
+ | |||
+ | Das Wissen um das Unrecht der Tat ist eine Voraussetzung der Schuld wie in [[§ 17 StGB]] deutlich wird. Regelmäßig ist das Unrechtsbewusstsein gegeben. Hinreichend ist ein potenzielles nicht lediglich ein aktuelles Unrechtsbewusstsein. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Entschuldigungsgründe''' | ||
+ | |||
+ | Die entschuldigte Tat wird nicht durch das Recht gebilligt. In Anbetracht der außergewöhnlichen Konflikt- und Motivationslage wird allerdings Nachsicht geübt und auf einen Strafvorwurf verzichtet. | ||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
== alic == | == alic == | ||
+ | '''Definition''' | ||
+ | |||
+ | Die in der Ursache freie Handlung ist das vorwerfbare Ingangsetzen eines Vorganges, der im Zustand der Schuldunfähigkeit zu einer Tatbestandsverwirklichung führt, wobei der Täter den Defektzustand selbst herbeigeführt hat. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Rechtsfolge''' | ||
+ | |||
+ | Im Falle der alic wird der Täter unabhängig von seiner Schuldfähigkeit nach dem jeweils verwirklichten Straftatbestand verurteilt. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Vorsätzliche alic''' | ||
+ | |||
+ | Ist ein Doppelvorsatz bezüglich des Defektes und der bestimmten Straftat gegeben, so wird nach Vorsatz bestraft. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Fahrlässige alic''' | ||
+ | |||
+ | Ist Vorsatz oder Fahrlässigkeit bezüglich des Defektes gegeben aber in Bezug auf die Straftat lediglich Fahrlässigkeit so kann allein nach [[§ 323a StGB]] bestraft werden. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Modelle der alic''' | ||
+ | |||
+ | Die alic ist nicht normiert. Zur dogmatischen Begründung gibt es zwei Modelle: | ||
+ | |||
+ | ''a) Ausnahmemodell'' | ||
+ | |||
+ | Das Ausnahmemodell der Lehre sieht einen Widerspruch der Rechtsfigur zum Wortsinn des [[§ 20 StGB]] (''"in Begehung der Tat"''). Dementsprechend wäre nach dem Analogieverbot des [[§ 103 GG]] eine Anwendung der alic problematisch. | ||
+ | |||
+ | ''b) Tatbestandsmodell'' | ||
+ | |||
+ | Das Tatbestandsmodell der Rechtssprechung sieht in der Herbeiführung des Defektzustandes als erstes Glied der Kausalkette den Beginn der Tabestandsverwirklichung. | ||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
- | == entschuldigener Notstand == | + | == entschuldigener Notstand ([[§ 35 StGB]])== |
- | + | '''Entschuldigender Notstand''' | |
- | == Notwehrüberschreitung == | + | |
+ | (1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte. | ||
+ | |||
+ | (2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern. | ||
+ | |||
+ | ---- | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Angehöriger''' | ||
+ | |||
+ | Angehöriger ist hier iSd [[§ 11 StGB]] I Nr 1 zu verstehen. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Freiheit''' | ||
+ | |||
+ | Freiheit ist hier iSd [[§ 239 StGB]] (Bewegungsfreiheit), nicht jedoch iSd [[§ 240 StGB]] (Handlungsfreiheit) zu verstehen. | ||
+ | |||
+ | Notwehr gegen die entschuldigende Notstandshandlung ist zulässig. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Nötigungsnotstand''' | ||
+ | |||
+ | Ein besonderer Fall ist der Nötigungsnotstand. Hier ist der Täter zugleich Opfer einer Nötigung d.h. durch Gewalt oder Drohung mit einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit seiner selbst, eines Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person zu einer rechtswidrigen Tat genötigt wird. Diese Tat ist notwendig nicht gerechtfertigt sonder lediglich entschuligt, da das Opfer sonst keine Abwehrrechte gebrauchen könnte. | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Notstandslage''' | ||
+ | |||
+ | * Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit | ||
+ | |||
+ | * Gegenwärtigkeit | ||
+ | |||
+ | * Nähebeziehung | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Notstandshandlung''' (''"nicht anders abwendbar"'') | ||
+ | |||
+ | * Erforderlichkeit | ||
+ | |||
+ | * Eignung | ||
+ | |||
+ | * Verhältnismäßigkeit | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Keine Zumutbarkeit''' | ||
+ | |||
+ | * objektive pflichtwidrige (!) Verursachung der Notstandslage | ||
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+ | * besonderes Rechtsverhältnis | ||
+ | |||
+ | * sonst. Zumutbarkeiterwägungen | ||
+ | |||
+ | |||
+ | '''Rettungswille''' | ||
+ | |||
+ | [[category: Strafgesetzbuch]] | ||
+ | |||
+ | == Notwehrüberschreitung ([[§ 33 StGB]])== | ||
+ | '''Überschreitung der Notwehr''' | ||
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+ | Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft. | ||
+ | |||
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+ | '''intensiver Notwehrexzess''' | ||
+ | |||
+ | Dies ist die unbewusste oder bewusste Übersteigerung der Erforderlichkeit aufgrund der sog. asthenischen Affekte. | ||
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+ | '''extensiver Notwehrexzess''' | ||
+ | |||
+ | Dieser liegt vor, wenn der Angriff nicht gegenwärtig ist und der Verteidiger sich in Kenntnis dessen über die Grenzen der Notwehr hinwegsetzt. | ||
+ | |||
+ | Beim vorzeitigen Notwehrexzess findet § 33 StGB keine Anwendung. | ||
+ | |||
+ | Beim nachzeitigen Notwehrexzess ist § 33 StGB anwendbar, da die psychische Situation mit der des intensiven Notwehrexzesses vergelichbar sein kann. | ||
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+ | |||
+ | '''Putativnotwehr''' | ||
+ | |||
+ | Dieser liegt bei Irrtum über die Notwehrlage vor. § 33 StGB findet keine Anwendung. | ||
+ | |||
+ | [[category: Strafgesetzbuch]] | ||
== Handeln auf Anweisung == | == Handeln auf Anweisung == | ||
+ | Handelt der Täter aufgrund einer Anweisung (zivil: Anordnung; militärisch: Befehl) so ist zu unterscheiden: | ||
+ | |||
+ | Liegt eine verbindliche (möglicherweise rechtswidrige) Anweisung vor so ist ein Rechtfertigungsgrund gegeben. | ||
+ | |||
+ | Liegt eine unverbindliche, da erkennbar strafbare/ordnungswidrige Anweisung vor so ist ein Entschuldigungsgrund gegeben. | ||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
== Unzumutbarkeit == | == Unzumutbarkeit == | ||
+ | Die Unzumutbarkeit des normgemäßen Verhaltens kann nur in extremsten Ausnahmesituationen Anwendung finden, da sonst Rechtsunsicherheit die Folge wäre. Für Extremfälle allerdings wirkt sie als regulativ. | ||
+ | |||
+ | Als Beispiel kann ein NS-Arzt gelten der in echter Gewissensnot einige Geisteskranke tötet anstatt sich zu verweigen und damit zuzulassen, dass ein anderer an seiner Stelle mehr Menschen tötet. | ||
+ | |||
+ | Gleiches gilt für die Situation, dass ein entführtes Flugzeug auf ein Hochhaus rast und die Möglichkeit zum Abschuss gegeben ist. | ||
+ | [[category: Stichworte des Strafrechts]] | ||
= Irrtum = | = Irrtum = |
Revision as of 15:35, 18 November 2007
Contents |
Grundlagen
Strafrecht
Definition
Das Strafrecht ist die Gesamtheit der juristischen Normen, welche sich auf die Definition der strafbaren Tatbestände und den angedrohten Folgen, die Feststellung und die Strafdurchsetzung beziehen.
Normtypen
a) Strafzumessungsregeln
b) Prozessualregeln
c) Tatbestansregeln
Prinzipien
a) Prinzip des fragmentarischen Rechtsgüterschutzes
Nur die wertvollsten individuellen und kollektiven Rechtsgüter, welche mitunter durch andere Rechtsgebiete konstituiert werden, sind so schutzwürdig, dass sie das scharfe Schwert des Strafvorwurf legitimieren. Darunter fällt beispielsweise nicht die fahrlässige Sachbeschädigung.
b)Nulla poena sine lege (§ 103 GG, § 1 StGB)
aa) Bestimmtheitsgrundsatz (nulla poena sine lege certa)
bb) Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege praevia)
cc) Analogieverbot (nulla poena sine lege stricta)
dd) kein Gewohnheitsrecht (nulla poena sine lege scripta)
Ausnahmen zugunsten des Täters möglich. Die ersten beiden Punkte richten sich an die Gesetzgeber, die beiden folgenden an die Richter.
c) Nulla poena sine culpa
d) Audiatur et altera pars
e) Recht zu Schweigen
f) Unschuldsvermutung
g) In dubio pro reo
h) Resozialisierungsprinzip
i) Verbot der Todesstrafe (§ 102 GG)
Geltungsbereich
a) Gebietsgrundsatz
Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden (§ 3 StGB).
b) Flaggen-, Ubiquitätsgrundsatz
Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen begangen werden (§ 4 StGB).
c) Schutzprinzip
Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, welche im Ausland gegen inländische Rechtsgüter begangen werden (§ 5 StGB).
d) Weltrechtsprinzip
Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, welche im Ausland gegen international geschützte Rechtsgüter begangen werden (§ 6 StGB).
e) Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen
Das deutsche Strafrecht gilt auch für andere Taten, welche im Ausland begangen werden § 7 StGB. Insbesondere gilt daqs Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege für Straftaten von Deutschen und Ausländern, welche nicht ausgeliefert werden können.
Straftat
Definition
Eine Straftat ist eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige, schuldhafte Handlung, welche ein Rechtsgut verletzt oder gefährdet.
Grundform
Die Grundform der Straftat ist das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt.
Vollendung wird im Gegensatz zu Versuch, Vorbereitung und Beendigung definiert. Die Prüfung des Versuches ergibt sich aus aus der Verneinung des objektiven Tatbestandes.
Vorsatz wird in Gegensatz zu Fahrlässigkeit und der Kombination von Fahrlässigkeit und Versuch definiert. Die Prüfung der Fahrlässigkeit ergibt sich aus der Verneinung des Vorsatzes.
Begehung wird in Gegensatz zu Unterlassung definiert.
Aufbau
- Tatbestand (imputatio facti)
- objektive Bedingungen der Strafbarkeit
- Rechtswidrigkeit (applicatio legis ad factum)
- Schuld (imputatio iuris)
- Persönliche Strafausschließungs-/-aufhebungsgründe
- Strafverfolgungsvoraussetzungen und -hindernisse
Unwert
Der Erfolgsunwert ist durch die Verletzung eines Rechtguts definiert.
Der Handlungsunwert ist durch ein bestimmtes Handeln gegen ein Rechtsgut definiert. Dies schließt die Art & Weise (Heimtücke), den Vorsatz und den Mangel an Rechtfertigung ein. Da der Erfolgsunwert schon eine subjektives Elemenet enthält ergibt sich auch aus dieser Konzeption die Notwendigkeit den Vorsatz in das Unrecht mit aufzunehmen.
Der Gesinnungsunwert findet seinen Ausdruck in der Schuld.
Unrecht
Tatbestand und Rechtswidrigkeit definieren das Unrecht.
Gerechtfertigt wird eine dualistsiche Unrechtskonzeption welche den Erfolgsunwert und den Handlungsunwert in sich aufnimmt aus dem Zweck der Strafnorm. Einerseits soll sie als Schutznorm bestimmte Rechtsgüter des Opfers schützen und andernseits soll sie als Pflichtnorm bestimmte Verhaltensweisen verbieten.
Deliktarten
Vergehen & Verbrechen
Vergehen sind Delikte, welche mit unter einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden.
Verbrechen sind Delikte, welche mit Freiheitstrafe über einem Jahr geahndet werden. (§ 12 StGB; Die Unterteilung in Verbrechen und Vergehen richtet sich nach dem angedrohten nicht dem verhängten Strafmaß. Die Unterscheidung wird in der Strafbarkeit des Versuchs relevant.)
Versuch & Vollendung
Versuchte Verbrechen sind stets strafbar, versuchte Vergehen nur wenn das Gesetz es vorsieht (§ 23 StGB I).
Vorsatz & Fahrlässigkeit (§ 15 StGB)
Grundtatbestand
Ein Grundtatbestand ist die Grundform eines Deliktstyps.
unselbsttändige Abwandlung
Eine unselbsttändige Abwandlung ist die Erweiterung um spezielle zwingende und abschließende Merkmale als Qualifizierung und Privilegierung. Diese können einander sperren oder ergänzen.
selbstständige Abwandlung
Eine selbstständige Abwandlung stellt ein Delikt mit eigenständigen Unwert da. Sie liegt vor wenn der Unwertsgehalt (Erfolg, Handlung, Gesinnung) abschließend und zwingend abgewandelt ist.
Tätigkeit & Erfolg
Tätigkeitsdelikte treten schon durch das Tätigwerden ohne Erfolg ein. (Meineid, § 153 StGB)
Erfolgsdelikte setzen den Erfolg voraus. (Totschlag, § 211 StGB)
Verletzung & Gefährdung
Verletzungsdelikte verlangen die reale Schädigung des Handlungsobjekts (Sachbeschädigung § 303 StGB).
Gefährdungsdelikte bezeichnen die Herbeiführung einer Gefahr für das Schutzobjekt. Konkrete Gefärdungsdelikte treten ein wenn die Gefahr als Folge einer Handlung tatsächlich wirksam wird (§ 315c StGB I). Abstrakte Gefährdungsdelikte treten durch ein bestimmtes Verhalten ein, unabhängig von der tatsächlichen Gefahr (§ 316 StGB).
Dauer & Zustand
Dauerdelikte treten ein wenn der Bestand des rechtswidrigen Zustandes vom Täterwillen abhängt (Freiheitsberaubung § 239 StGB).
Zustandsdelikte treten ein wenn Herbeiführung und Vollendung zusammenfallen (§ 303 StGB).
Begehung & Unterlassen
Begehungsdelikte treten durch aktives Handeln ein.
Unterlassensdelikte treten durch passives Unterlassen ein. Ist dieses Unterlassen durch Garantenstellung und durch Gleichwertigkeit mit aktivem Tun gekennzeichnet, ist ein unechtes Unterlassensdelikt gegeben (§ 13 StGB). Ist dieses Unterlassen in einem eigenen Tatbestand umschrieben so liegt ein echts Unterlassensdelikt vor (Unterlassene Hilfeleistung § 323c StGB).
Allgemein & Spezial
Allgemeindelikte können durch jeden begangen werden.
Spezialdelikte können nur von besonderen Personen begangen werden. Bei echten Spezialdelikten (§ 331 StGB) ist Subjektqualität strafbegründend. Bei unechten Spezialdelikten (§ 340 StGB) ist besondere Subjektsqualität lediglich strafschärfend.
Eigenhändig
Eigenhändige Delikte schließen Straftaten durch Beihilfe aus (Verwandtenbeischlaf).
Unternehmen
Das unmittelbare Ansetzen fällt mit der Vollendung zusammen. (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte)
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
- Tatsubjekt
- Tatobjekt
- Tathandlung (Art & Weise, Hilfsmittel)
- Erfolg
- Kausalität
- objektive Zurechenbarkeit
Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale
Handlung
Definition
Eine Handlung ist ein menschliches willensgetragenes Verhalten.
Abgrenzung
Bei bloßen Naturereignissen und Handlungen von juristischer Personen oder von Tieren ist kein menschliches Handeln gegeben. Strafbar sind grundsätzlich nur natürliche Personen. Dies ändert sich jedoch durch die Entwicklung eines Verbandsstrafrechts.
In den Fällen von Hypnose, Schlaf, Bewusstlosigkeit, äußerer Gewalt (vis absoluta; ggs.: willensbeugende Gewalt/vis compulsiva), Reflex und Schreckreaktion (ggs.: beherrschbare Spontanreaktion, Affekt/Kurzschluss; Tätigkeit aus eingeübten Verhalten) ist kein willensgetragenes Verhalten gegeben.
Kausale Handlungslehre
Nach der kausalen Handlungslehre ist eine Handlung jedes gewillkürtes äußerliches Verhalten. Die Ursache ist der auslösende Wille, die Wirkung der tatbestandliche Erfolg. Der Vorsatz wird erst in der Schuld geprüft.
Die Handlungslehre kann Tätigkeitsdelikte, Unterlassungsdelikte und den Versuch nur unzureichend erfassen.
Finale Handlungslehre
Nach der finalen Handlungslehre ist eine Handlung jedes willensgetragene, zweckgerichtete Verhalten. Ursache ist der gestaltete Wille, Wirkung eine bewusste vom Ziel her gelenkte Handlung. Der Vorsatz wird bereits im Tatbestand geprüft.
Die Handlungslehre kann Fahrlässigkeitsdelikte und Unterlassungsdelikte nur unzureichend erfassen.
Soziale Handlungslehre
Nach dieser herrschenden Handlungslehre ist eine Handlung ein, vom menschlichen Willen beherrschtes und beherrschbares, sozialerhebliches Verhalten. Der Vorsatz hat eine Doppelfunktion in Tatbestand und Schuld.
Kausalität
Definition
Ursächlich im Sinne des Strafrechts ist jede Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele.
Formen
a) Alternative Kausalität
Hier ergibt die Bedingungstehorie keine Kausalität. Darum muss die Eliminierungsformel angewendet werden. (Gremienentscheidungen)
b) Kumulative Kausalität
c) Hypothetische Kausalität
Hier gilt das Verbot des Hinzudenkens von Ersatzursachen, die Formel vom konkreten Erfolg und der Beschleunigung und das Gebot des Hinzudenkens von rettenden Kausalverläufen. (Massenkarambolagefalle: BGHSt 30, 228)
d) Atypischer Kausalverlauf
Hier ist die Kausalität nicht berührt. Diese Form der Kausalität wird aber in der objektiven Zurechung relevant.
e) Anknüpfenden Kausalität
Zur Abgrenzug der anknüpfenden Kausalität von der zuvorkommenden ist die Frage relvant ob die eine Ursache ohne die andere denkbar ist.
f) Zuvorkommende (überholende, abgebrochen) Kausalität
Die Kausalität wird nur hier verneint.
Modifikationen
a) Eliminierungsformel
Von mehreren Bedingungen die alternativ, aber nicht kummulativ hinweggedacht werden können, ohne das der Erfolg entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich.
b) Erfolg in seiner konkreten Gestalt
Ursächlich im Sinne des Strafrechts ist jede Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
c) Beschleunigung
Die bloße Beschleunigung des Erfolgs gilt auch als Ursache.
d) Verbot des Hinzudenkens von Ersatzursachen
e) Gebot des Hinzudenkens von rettenden Kausalverläufen
Äquivalenztheorie
a) Formeln
Grundgedanke der Theorie ist eine Entsprechung von Ursache und Erfolg. Es stehen zwei Formeln zur Prüfung dieser Entsprechung zur Verfügung. Nach der conditio-sine-qua-non-Formel ist ursächlich im Sinne des Strafrechts jede Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Nach der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung ist eine Handlung dann kausal, wenn sich an diese Handlung zeitlich nachfolgende Veränderungen in der Außenwelt abgeschlossen haben, die mit der Handlung nach den uns bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden waren und sich als tatbestandsmäßiger Erfolg darstellen.
b) Vorteile und Probleme
Die Kausalität soll vorrechtlich wertungsfrei sein. Dies wird durch eine Anlehnung an den naturwissenschaftlichen Kausalitätsbegriff erreicht.
Die Bedingungstheorie führt zu einer uferlosen Kausalität welche bloße Mitverursachung und Beschleunigung als auch atypische Kausalverläufe mit einbezieht.
Darum besteht nach konkurrierende Theorien die Notwendigkeit die objektive Zurechnung in den Kausalitätsbegriff zu integrieren.
Adäquanztheorie
Kausal ist eine Handlung dann, wenn sie einen nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbaren Erfolg verursacht (eng) bzw. einen nicht völlig unvorhersehbaren Erfolg verursacht.
Diese Theorie integriert die besondere Prüfung auf atypische Kausalität bei der Zurechnung in den Kausalitätsbegriff. Verursachung und Zurechnung werden damit nicht sauber getrennt.
Sie ist die herrschende Lehre im Privatrecht.
Diese Theorie ist stets anzuwenden, wenn ein atypischer Kausalverlauf auftritt. Auch ist ein Streitentscheid notwendig.
Relevanztheorie
Sie trennt Kausalität und objektive Zurechnung, indem sie für die Kausalität die Äquivalenztheorie und für die Zurechenbarkeit die Kriterien der Adäquanztheorie verwendet.
Objektive Zurechenbarkeit
Vorsatz (§ 15 StGB)
Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln
Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.
Definition
Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller objektiven Tatumstände.
Ansatzpunkt des Vorsatzes ist die Entscheidung des Täters gegen Rechtsordnung.
Doppelnatur
Der Vorsatz wird entsprechend der sozialen Handlungslehre im Tatbestand und in der Schuld als Vorsatzschuld behandelt. Der Unrecht kann nicht hinreichend beschrieben werden ohne auf subjektive Elemente Bezug zu nehmen. Auch darum ist der Vorsatz notwendig ein Teil des Tatbestandes.
Bezugsobjekte
- deskriptive Tatbestandsmerkmale
- normative Tatbestandsmerkmale
- Kausalität
- objektive Merkmale der Privilegierungen/Qualifizierungen
Der Vorsatz muss sich nicht beziehen auf die schwere Folge erfolgsqualifizierter Delikte, auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe, die Voraussetzungen der Schuld, die objektive Bedingungen der Strafbarkeit und die Proßessvoraussetzungen.
Kenntnis der allgemeinen Art des Tatbestandes ist ausreichend (Schuss in die Menge).
Zeitpunkt
Maßgeblicher Zeitpunkt (§ 8 StGB) ist die Vornahme der tatbestandlichen Ausführungshandlung. Nachträgliches Wissen bzw Billigung (dolus subsequens) oder vorheriger Vorsatz (dolus antecedens) sind unschädlich.
Fahrlässigkeit
Liegt kein Vorsatz vor kommt die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit in betracht.
Wille
Die Grade des voluntativen Elements des Vorsatzes sind Absicht, Billigung, Gleichgültigkeit und Unerwünschtheit.
Wissen
Die Grade des kognitiven Elements des Vorsatzes sind Gewissheit, Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit.
a) aktuelles Bewusstsein und sachgedankliche Mitbewusstsein
Erforderlich ist ein aktuelles Bewusstsein der Tatumstände und zumindest das sachgedankliche Mitbewusstsein als Fähigkeit spontan auf Frage nach relevanten unbewussten Wissen zu antworten. Entscheidend ist, das die Kenntnis der Tatbestandsmerkmale bei der Willensbildung wirksam gewesen ist.
Ein Beispiel ist der Polizist, der einen Apfel stiehlt ohne an seine Dienswaffe zu denken und damit den Diebstahl mit Waffen nach § 244 StGB verwirklicht.
b) unterschwelliges und potentielles Bewusstsein
Das unterschwellige Bewusstsein als das bloße Gefühl etwas stimme nicht oder das potentielle Bewusstsein, welches erst durch Nachdenken oder Erinnern wachgerufen werden kann genügt den Anforderungen nicht.
Absicht
Der dolus directus 1. Grades liegt vor, wenn es dem Täter gerade auf den sicheren oder möglichen tatbestandlichen Erfolg ankommt.
Im Gesetz mitunter als "absichtlich" expliziert. (§ 226 StGB)
Wissentlichkeit
Der dolus directus 2. Grades (direkter Vorsatz) liegt in der Billigung des sicheren Erfolgs.
Die Billigung ergibt sich notwendig aus der Gewissheit, auch wenn der Erfolg an sich unerwünscht ist.
Ansatzpunkt der Gewissheit können allein die Nebenfolgen sein, da hinsichtlich der Hauptfolgen Absicht gegeben ist.
Dementsprechend sind auch Fälle beabsichtigten unsicheren Erfolgs mit sicherer Nebenfolge eingeschlossen.
Im Gesetz mitunter als "wissentlich" expliziert. (§ 187 StGB)
Eventualvorsatz
Der dolus eventualis setzt intellektuell das Bewusstsein der Möglichkeit des Taterfolgs voraus.
Über das voluntative Element besteht Streit. Nach den intellektuellen Abgrenzungstheorien ist es nicht notwendig, nach den voluntativen Abgrenzungstheorien unverzichtbar.
a) Intellektuelle Abgrebzungstheorien
Die intellektuelle Möglichkeitstheorie verlangt für den Eventualvorsatz, dass der Täter die reale Möglichkeit der Rechtsgutverletzung erkannt und trotzdem gehandelt hat.
Die intellektuelle Wahrscheinlichkeitstheorie verlangt für den Eventualvorsatz, dass der Täter den Eintritt des Erfolges für wahrscheinlich dh, für mehr als möglich gehalten hat.
Die intellektuellen Abgrenzungstheorien werden von der herrschenden Meinung mit dem Argument abgelehnt, dass sie keine eindeutige Abgrenzung zu der bewussten Fahrlässigkeit vornehmen könnten.
b) Voluntative Abgrenzungstheorien
Nach der voluntativen Gleichgültigkeitstheorie liegt Eventualvorsatz vor, wenn der Täter die von ihm für möglich gehaltene Tatbestandsverwirklichung aus Gleichgültigkeit in Kauf nimmt.
Nach der herrschenden voluntativen Einwilligungs- oder Billigungstheorie ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den tatbestandlichen Erfolg gebilligt oder billigend in Kauf genommen hat.
c) Bewusste Fahrlässigkeit
Schwierig ist hier die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit. Entscheidend ist das voluntative Moment, denn das kognitive ist identisch. Eventualvorsatz auf der einen Seite verlangt eine Billigung und bewusste Fahrlässigkeit auf der anderen Seite verlangt die leichtsinnige Sichherheit über den erwünschten Ausgang. In einer anderen Variante ist die Bewusstheit der Güterabwägung relevant. Nach der Frankeschen Formel ist die bewusste Fahrlässigkeit ein "Es wird schon gutgehen.", der Eventualvorsatz aber ein "Na wenn schon!"
Grundsätzlich ist der Eventualvorsatz für alle Vorsatzdelikte ausreichend. Das Gesetz kann aber anderes durch die Formulierung "absichtlich" oder "wissentlich" bestimmen.
Alternativer Vorsatz
Dolus alternativus ist Unwissen ob ein Verhalten einen von zwei widersprüchlichen Tatbeständen erfüllen wird.
Beispiel ist ein Verfolgter der auf Verfolger und seinen Hund schießt um wenigstens einen zu treffen.
Die Konsequenzen sind umstritten: Es kann der Vorsatz je nach Erfolg bestimmt werden oder stets der schlimmere Vorsatz unabhängig von Erfolg angenommen werden.
Rechtswidrigkeit
Definition
Eine Handlung ist rechtswidrig, wenn sie einen Unrechtstatbestand verwirklicht und nicht ausnahmsweise durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt wird.
Rechtfertigung
Eine Rechtfertigung ergibt sich aus der Kollision einen Unrechtstatbestandes und eines Erlaubnistatbestandes.
Es gibt den objektiven Erlaubnistatbestand und den subjektiven Erlaubnistatbestand, insbesondere der Rettungswille (Notstand), der Verteidigungswille (Notwehr) und die Kenntnis des Rechtsverzichts (Einwilligung).
Charakteristisch für die Rechtfertigung ist, dass sie das Opfer belastet indem sie den Täter entlastet. Dem entspricht die Duldungspflicht des Opfers.
Grundgedanke
Grundgedanke der Rechtfertigung ist eine Rechtsgutabwägung.
Diese wurde in den Fällen des § 32 StGB und § 227 BGB durch den Gesetzgeber vorgenommen, welcher den generellen Vorrang des angegriffenen Interesses vor dem Interesse des Angreifers bestimmt.
Abwägung wird durch den Richter in den Fällen des § 34 StGB und § 904 BGB vorgenommen.
Abwägung durch das Opfer geschieht durch die Einwilligung.
Prüfungsreihenfolge
- Einwilligung
- erlaubte Selbsthilfe (§§ 229, 562b, 859, 1029 BGB)
- allgemein rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB, § 16 OWiG)
- rechtfertigende Pflichtenkollision
- Wahrnehmung berechtigter Interessen bei Ehrverletzungen (§ 193 StGB)
- Erziehungsrecht
- Festnahmerecht (§ 127 StPO, § 87 StVollzG)
- Amtsbefugnisse (auch Dienstrechte, Amtspflichten) (§§ 81 ff StPO u.a.)
- Widerstandsrecht (§ 20 GG)
Einwilligung
Tatbestandauschließendes Einverständnis
Insbesondere bei Tatbeständen welche das "gegen den Willen" einschließen wie zum Beispiel § 248b StGB und § 123 StGB.
Rechtfertigende Einwilligung
- Verzichtbarkeit (Disponibilität) des geschützten Rechtsgutes
- Verfügungberechtigung
- Einwilligungsfähigkeit (natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit)
- keine wesentlichen Willensmängel (Täuschung, Nötigung. Irrtum)
- gute Sitten
- Ausdrücklichkeit
- Kenntnis der Einwilligung und Handlungsgrund durch Täter
Mutmaßliche Einwilligung
- Handeln im materiellen Interesse
- Prinzip des mangelnden Interesses (des Einwilligenden)
Notwehr (§ 32 StGB)
Notwehr
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Abwägung
Abwägung durch den Gesetzgeber: Genereller Vorrang des angegriffenen Interesses vor dem Interesse des Angreifers.
Ratio
Die Notwehr und die Nothilfe begründen sich aus dem individuellen Rechtsgüterschutz und der allgemeinen Rechtsbewährung.
Notwehrlage
a) Angriff
Ein Angriff ist jede durch eine menschliche Handlung drohende Verletzung rechtlich geschützter individueller Güter. Der Angriff braucht nicht gezielt oder schuldhaft zu sein, muss aber Handlungsqualität besitzen und kann auch in einem Unterlassen liegen.
b) Gegenwärtigkeit
Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert. Dies schließt Präventvmaßnahmen aus.
c) Rechtswidrigkeit
Ein Anriff ist rechtswidrig, wenn er im Widerspruch zur Rechtsordnung steht und der Angegriffene ihn nicht dulden braucht.
Notwehrhandlung
a) Hanlungsziel
Die Handlung muss gegen den Angreifer gerichtet sein.
b) Eignung
Eine Handlung ist als Verteidigung geeignet, wenn sie den Angriff ganz beenden oder wenigstens hindern kann.
c) Erforderlichkeit
Erforderlichkeit ist gegeben wenn die Handlung das mildeste, gleichermaßen geeignete Mittel ist. Unsicherheiten gehen zu Lasten des Angreifers.
d) Gebotenheit
Gebotenheit scheidet aus bei einem krassen Missverhältnis zum drohenden Schaden, wenn der Angriff provoziert oder selbst verschuldet wurde, der Angegriffene in einer Garantensetellung steht oder der Angreifende schuldunfähig ist oder irrt.
Verteidigungwille und -wissen
Notwehrüberschreitung (§ 33 StGB)
Putativnotwehr
Zivilrechtlicher Notstand (§ 228 BGB)
Notstand
Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet
Definition
Ein zivilrechtlicher Notstand ist ein Zustand gegenwärtiger Gefahr für rechtlich geschützte Interessen durch eine Sache, dessen Abwendung nur auf Kosten fremder Interessen möglich ist.
Eine Rechtfertigung ist hier also nur für die Sachbeschädigung zu finden.
defensiver Notstand
Dies ist der Briefträgerparagraph, welcher den Fall regelt, dass eine Sache welche die Gefahr schafft zerstört oder beachädigt wird.
aggressiver Notstand (§ 904 BGB)
Eine gefahrenfremde Sache wird zur Abwehr zerstört oder beschädigt. Es besteht Schadensersatzanspruch. Hierzu: BGHZ 30.10.1984
Notstand (§ 34 StGB)
Rechtfertigender Notstand
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Rechtfertigender und entschuldigender Notstand
Beim rechtfertigenden Notstand trägt das Prinzip des überwiegenden Interesses. Beim entschuldigender Notstand sind die Interessen gleichwertig. Eine Abwehr wird rechtlich darum missbilligt. Auf den Schuldvorwurf wird aber verzichtet.
Notstandslage
a) Gefahr
Eine Gefahr ist ein Zustand, der jederzeit in eine konkrete Rechtsgutbeeinträchtigung umschlagen kann. Die Gefahr kann auch auf eigene Schuld beruhen.
b) Gegenwärtigkeit
Gegenwärtigkeit ist ein Zustand, dessen Weiterentwicklung den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten lässt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen getroffen werden. Sie ex ante aus der Position eines objektiven Dritten zu bestimmen
Als Gefahr gilt auch die Dauergefahr, falls der Zeitpunkt der Beeinträchtigung unbestimmt aber jederzeit möglich ist (baufälliges Haus, Begegnung mit einem notorischen Prügler ohne sichtbare Angriffsabsichten). Sie ist gegenwärtig wenn sie nur durch unverzügliches Handeln abgewendet werden kann.
c) Notstandsfähiges Rechtsgut
Notstandsfähig sind nur schutzbedürftige und schutzwürdige Rechtsgüter. (Nicht etwa die Freiheit der Strafgefangenen)
Notstandshandlung
a) Handlungsziel
Die Handlung muss gegen das Rechtsgut eines Dritten gerichtet sein. (?)
a) Eignung
b) Erforderlichkeit
(Die Handlung muss das mildestmögliche gleichermaßen geeignete Mittel sein. Hier gilt anders als bei der Notwehr die Ausweichpflicht.)
c) Interessenabwägung
- Rang der betroffenen Güter
- Grad des Einfriffs
- Art und Ursprung der Gefahr (Mitverschulden)
- besondere Gefahrtragungspflichten (Polizisten)
- spezielle Schutzpflichten
- die mit der Tat ansonsten verfolgten Motive
- Ersetzbarkeit des drohenden Schadens
- Maß der Rettungschance dür das betroffene Rechtsgut
d) Angmessenheit
Zweck der Klausel ist es, trotz Gebotenheit unangemessene Fälle auszuschließen.
Kriterien siehe: Wessels 35, 111-115
Beispiel: A ist arm und todkrank B ist reich. A stiehlt B Geld da Tod nicht anders abwendbar. Keine Rechtfertigung da Unangemessenheit, B nicht verantwortlich. A braucht Blutspende. Der Unbeteiligte B ist in der Nähe und hat die Richtige Blutgruppe. Gegen ihn besteht keine Notstandslage.
Allgemeine Notstandslage kann auch eintreten wenn nur ein Rechtsgut betroffen ist. (A wirft B aus dem Fenster um ihn vor sicherem Flammentod zu bewahren.)
Rettungswille und Wissen um Handlung und Lage
Festnahme (§ 127 StPO)
(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.
(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.
(3) Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.
Schuld
Definition
Schuld ist die Vorwerfbarkeit eines Unrechts in Hinblick auf die zugrundeliegende tadelnswerte Gesinnung.
Entsprechen dem Grundsatz nulla poena sine culpa wirkt die Schuld strafbegründend und -begrenzend.
Voraussetzung der Schuld ist die Entscheidungsfreiheit.
Die tatbezogene konsensuelle Rechtschuld ist zu unterscheiden von der pluralistischen und gesinnungsbezogenen moralischen Schuld.
Psychologische Schuldlehre
Die psychologische Schuldlehre beschränkt den Begriff auf die seelische Beziehung des Täters zur Tat, mithin auf Vorsatz und Fahrlässigkeit ohne den vorsätzlichen entschuldigenden Notstand erklären zu können.
Funktionalistische Schuldlehre
Die funktionalistische Schuldlehre begreift die Schuld lediglich als Derivat der Generalprävention, nur zu ihrem Zwecke ist Schuld erforderlich.
Normative Schuldlehre
Diese von Frank begründete Lehre stellt auf die normative Bewertung der Vorwerfbarkeit ab. Sie ist als herrschende Lehre ein Sammelbegriff für:
- Schuldfähigkeit
- spezielle Schuldmerkmale
- Schuldformen
- Unrechtsbewusstsein
- Fehlen von Entschuldigungsgründen
Schuldfähigkeit
Die Schuldfähigkeit definiert sich negativ aus den verschiedenen Graden des Gegenteils.
- verminderte Schuldfähigkeit: § 21 StGB
- actio in libera caus (alic)
spezielle Schuldmerkmale
Dies sind beispielsweise im Mord "niedrige Beweggründe", bei der Mißhandlung von Schutzbefohlenen "Böswilligkeit" und bei der gefährung des Straßenverkehrs "Rücksichtslosigkeit".
Schuldformen
Da Strafe, Unrecht und Schuld idR zueinander direkt proportional sind ist die Frage nach Vorsatz und Fahrlässigkeit auch für die Schuld relevant.
a) Vorsatzschuld
Die Vorsatzschuld ist die Vorwerfbarkeit von Rechtsfeindlichkeit.
b) Fahrlässigkeitsschuld
Die Fahrlässigkeitsschuld ist die Vorwerfbarkeit von Nachlässigkeit.
Unrechtsbewusstsein
Das Wissen um das Unrecht der Tat ist eine Voraussetzung der Schuld wie in § 17 StGB deutlich wird. Regelmäßig ist das Unrechtsbewusstsein gegeben. Hinreichend ist ein potenzielles nicht lediglich ein aktuelles Unrechtsbewusstsein.
Entschuldigungsgründe
Die entschuldigte Tat wird nicht durch das Recht gebilligt. In Anbetracht der außergewöhnlichen Konflikt- und Motivationslage wird allerdings Nachsicht geübt und auf einen Strafvorwurf verzichtet.
alic
Definition
Die in der Ursache freie Handlung ist das vorwerfbare Ingangsetzen eines Vorganges, der im Zustand der Schuldunfähigkeit zu einer Tatbestandsverwirklichung führt, wobei der Täter den Defektzustand selbst herbeigeführt hat.
Rechtsfolge
Im Falle der alic wird der Täter unabhängig von seiner Schuldfähigkeit nach dem jeweils verwirklichten Straftatbestand verurteilt.
Vorsätzliche alic
Ist ein Doppelvorsatz bezüglich des Defektes und der bestimmten Straftat gegeben, so wird nach Vorsatz bestraft.
Fahrlässige alic
Ist Vorsatz oder Fahrlässigkeit bezüglich des Defektes gegeben aber in Bezug auf die Straftat lediglich Fahrlässigkeit so kann allein nach § 323a StGB bestraft werden.
Modelle der alic
Die alic ist nicht normiert. Zur dogmatischen Begründung gibt es zwei Modelle:
a) Ausnahmemodell
Das Ausnahmemodell der Lehre sieht einen Widerspruch der Rechtsfigur zum Wortsinn des § 20 StGB ("in Begehung der Tat"). Dementsprechend wäre nach dem Analogieverbot des § 103 GG eine Anwendung der alic problematisch.
b) Tatbestandsmodell
Das Tatbestandsmodell der Rechtssprechung sieht in der Herbeiführung des Defektzustandes als erstes Glied der Kausalkette den Beginn der Tabestandsverwirklichung.
entschuldigener Notstand (§ 35 StGB)
Entschuldigender Notstand
(1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.
(2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
Angehöriger
Angehöriger ist hier iSd § 11 StGB I Nr 1 zu verstehen.
Freiheit
Freiheit ist hier iSd § 239 StGB (Bewegungsfreiheit), nicht jedoch iSd § 240 StGB (Handlungsfreiheit) zu verstehen.
Notwehr gegen die entschuldigende Notstandshandlung ist zulässig.
Nötigungsnotstand
Ein besonderer Fall ist der Nötigungsnotstand. Hier ist der Täter zugleich Opfer einer Nötigung d.h. durch Gewalt oder Drohung mit einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit seiner selbst, eines Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person zu einer rechtswidrigen Tat genötigt wird. Diese Tat ist notwendig nicht gerechtfertigt sonder lediglich entschuligt, da das Opfer sonst keine Abwehrrechte gebrauchen könnte.
Notstandslage
- Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit
- Gegenwärtigkeit
- Nähebeziehung
Notstandshandlung ("nicht anders abwendbar")
- Erforderlichkeit
- Eignung
- Verhältnismäßigkeit
Keine Zumutbarkeit
- objektive pflichtwidrige (!) Verursachung der Notstandslage
- besonderes Rechtsverhältnis
- sonst. Zumutbarkeiterwägungen
Rettungswille
Notwehrüberschreitung (§ 33 StGB)
Überschreitung der Notwehr
Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.
intensiver Notwehrexzess
Dies ist die unbewusste oder bewusste Übersteigerung der Erforderlichkeit aufgrund der sog. asthenischen Affekte.
extensiver Notwehrexzess
Dieser liegt vor, wenn der Angriff nicht gegenwärtig ist und der Verteidiger sich in Kenntnis dessen über die Grenzen der Notwehr hinwegsetzt.
Beim vorzeitigen Notwehrexzess findet § 33 StGB keine Anwendung.
Beim nachzeitigen Notwehrexzess ist § 33 StGB anwendbar, da die psychische Situation mit der des intensiven Notwehrexzesses vergelichbar sein kann.
Putativnotwehr
Dieser liegt bei Irrtum über die Notwehrlage vor. § 33 StGB findet keine Anwendung.
Handeln auf Anweisung
Handelt der Täter aufgrund einer Anweisung (zivil: Anordnung; militärisch: Befehl) so ist zu unterscheiden:
Liegt eine verbindliche (möglicherweise rechtswidrige) Anweisung vor so ist ein Rechtfertigungsgrund gegeben.
Liegt eine unverbindliche, da erkennbar strafbare/ordnungswidrige Anweisung vor so ist ein Entschuldigungsgrund gegeben.
Unzumutbarkeit
Die Unzumutbarkeit des normgemäßen Verhaltens kann nur in extremsten Ausnahmesituationen Anwendung finden, da sonst Rechtsunsicherheit die Folge wäre. Für Extremfälle allerdings wirkt sie als regulativ.
Als Beispiel kann ein NS-Arzt gelten der in echter Gewissensnot einige Geisteskranke tötet anstatt sich zu verweigen und damit zuzulassen, dass ein anderer an seiner Stelle mehr Menschen tötet.
Gleiches gilt für die Situation, dass ein entführtes Flugzeug auf ein Hochhaus rast und die Möglichkeit zum Abschuss gegeben ist.